Die Repräsentation einer Schlacht bildet auf den ersten Blick ein Paradox. Kaum eine andere Art historischer Ereignisse hat seit Jahrhunderten eine so breite Diskussion über die Grenzen ihrer Darstellbarkeit angeregt und gleichzeitig eine solche Vielzahl von medialen Repräsentationen erfahren wie die Schlacht. Zeitgenössisch vom Augenzeugenbericht über den Kupferstich bis zum Denkmal und gegenwärtig vom Computerspiel über die Fernsehdokumentation bis zum Re-Enactment gestaltet sich die mediale Repräsentationspalette einer Schlacht. Die weitgehende Abstinenz der Historiker dem Thema gegenüber verhält sich dabei in einem ähnlichen Spannungsverhältnis zur populären Schlachtendarstellung wie die epistemologische Diskussion über ihre Undarstellbarkeit zur Praxis der Repräsentation. Doch was macht gerade die vormodernen Schlachten so populär?
Eingedenk der zweifellos freigesetzten Romantisierungspotenziale ist es meines Erachtens vor allem die Komplexitätsreduktion, die undurchsichtige Handlungsabläufe auf einen genau beschreibbaren Moment zurechenbar macht und damit einer kognitiven Kartographie der Ereignisse zuarbeitet. Eine Erfahrung, die uns mit den modernen Bildschirmkriegen weitgehend abhanden gekommen ist. Dort gibt es keine Schlachten mehr und auch die damit einst verknüpften Entscheidungen werden unsichtbar. Jener andauernde Kampf um die „immateriellen Felder der Wahrnehmung“ ist seit langem das Thema der Arbeiten von Paul Virilio, der, darauf hat jüngst auch Bernhard Jahn aufmerksam gemacht, in seiner Betonung der Neuartigkeit der modernen Bilderkriege die Medialität der vormodernen Schlacht weitgehend verkennt oder verkennen muss. Die Moderne beginnt auch hier mit Napoleon: „Dem Blick Napoleons […] hatte sich das Schlachtfeld unmittelbar dargestellt; Vorhersage und Entscheidung waren im Augenblick möglich; Organisation und Kontrolle funktionierten mit hoher Geschwindigkeit, ohne dass das kleinste Detail vernachlässigt wurde. Aber als sich der napoleonische Krieg 1812 auf die Dimension Russlands ausdehnte und allein auf französischer Seite eine halbe Million Soldaten das Schlachtfeld bevölkerte, brach diese Art visueller Organisation zusammen. Die Zeit war nun definitiv vorbei, in der Friedrich II. an Ort und Stelle eine Schlachtordnung in Lebensgröße sich bilden und entwickeln sah, so regelmäßig, in ebenso geometrischen Figuren, wie sie zuvor auf dem Papier gestanden haben.“1
Damit sind wir beim Thema angelangt: Stellten sich die Schlachten im 18. Jahrhundert wirklich so geometrisch überschaubar dar, wie hier suggeriert? Und waren sie damals weniger auf mediale Repräsentationsstrategien angewiesen als in der Moderne? Zur Beantwortung dieser Fragen möchte ich im Folgenden in drei Schritten vorgehen. Zunächst wird kurz die epistemologische Diskussion über die Undarstellbarkeit der Schlacht skizziert, dann in einem zweiten Schritt am Beispiel des Siebenjährigen Krieges auf die zeitgenössischen Strategien eingegangen, eine Schlacht zu repräsentieren und mit dieser Repräsentation Politik zu machen, um schließlich drittens auf die langfristige Weiterentwicklung der Schlachtendarstellung im 19. und 20. Jahrhundert einzugehen.
Die Epistemologie des Undarstellbaren
Ohne die Sattelzeit um 1800 schlicht auf die Sattelzeit um 1500 zu verschieben, lässt sich doch im Zeitalter des Humanismus eine intensivierte Reaktion auf die Komplexitätssteigerung der Kriegführung beobachten. In Erasmus von Rotterdams Colloquia Familiaria etwa findet sich ein Gespräch zwischen zwei Soldaten, Hanno und Thrasymachus, das die Schlachtbeschreibung problematisiert. Auf Hannos Frage nach dem Ausgang antwortet Thrasymachus: „Das Getöse und das Durcheinander war so groß, der Schall der Kriegstrompeten, der Donner der Hörner, das Wiehern der Pferde, das Geschrei der Leute, dass ich nicht sehen konnte, was sich ereignete, ja dass ich kaum wusste, wo ich mich befand. Hanno: Wieso schildern dann die andren, die aus dem Krieg kommen, Einzelheiten, was einer gesagt oder getan hat, so genau, als ob sie überall als geruhsame Zuschauer dabeigewesen wären? Thrasymachus: Ich glaube, diese Leute lügen gewaltig. Was in meinem Zelt vorgegangen ist, weiß ich, was sich in der Schlacht getan hat, davon habe ich keine Ahnung.“2
In der Militärpublizistik des 17. Jahrhunderts, etwa bei Hans Wilhelm Kirchhof in seiner Militaris disciplina (1602) oder Johann Jacob Wallhausen in seiner Ritterkunst (1616), changiert die Fähigkeit zur Beschreibung zwischen „größtem Glück“ und größter Hybris. Der Leipziger Professor Johann Burkhard Mencke rechnet 1716 die Schlachtbeschreibung gar unter die Charlatanerie der Gelehrten, als er zu den Verfehlungen der Historiker kommt, die „befürchten, sie möchten keine Leser bekommen, wenn sie nicht derselben Augen mit vielen angenehmen Bildern ergötzen, daher sie alle Seiten mit schönen Figuren auszieren, und was das Lächerlichste, selbst die Treffen und Schlachten, bey denen es insgemein sehr unordentlich zugegangen, auf das fleißigste und ordentlichste abmahlen lassen“3. Johann Martin Chladenius ist es schließlich, der 1742 den berühmten „Sehepunkt“ mit Rekurs auf die Schlachtbeschreibung erklärt und damit die Perspektivität der Beobachtung theoretisch einholt. Im nächsten Quantensprung der Geschichtstheorie – Johann Gustav Droysens Historik – wird die Schlachtendarstellung ebenfalls ausführlich diskutiert. Der in kritischer Philosophie geschulte Droysen kann jetzt zur Selbstermächtigung des Geschichtsschreibers schreiten, der die Synthese des Historikers gegenüber dem Einzelstandpunkt des Augenzeugen privilegiert. So werde die Darstellung „stets umso unsicherer, je detaillierter sie ist, oder richtiger: nicht in dem Detail und in der Anschaulichkeit des Details liegt die Wahrheit der Dinge. Nicht, wie Lessing meint, die Augen- und Ohrenzeugen verbürgen die Wahrheit der Dinge; genug, wenn sie, was von ihrem Standpunkt aus zu sehen und zu hören war, richtig wiedergeben.“4
Der Siebenjährige Krieg war ein frühmoderner Medienkrieg, der zu einer ungeheuren Intensivierung von Flugschriftenpublizistik und Zeitungsberichterstattung führte.
Die weiteren Stationen der Reflexion führen uns von den historischen Romanen des 19. Jahrhunderts (u.a. Jean Paul, Stendhal, Tolstoi) über Georg Simmels Traktat Das Problem der historischen Zeit (1916) unter anderem zu Maurice Merleau-Pontys Phänomenologie der Wahrnehmung (1945) und schließlich zur Geburt des Begriffs der Mikrogeschichte. So war es der amerikanische Historiker George R. Stewart, der den Begriff „Microhistory“ in seinem Buch Pickett’s Charge. A Microhistory of the Final Charge at Gettysburg, July 3, 1863 zum ersten Mal verwendete.5 In der 1959 erschienenen Studie widmet er sich, wie Carlo Ginzburg es ausdrückte, „mit beinahe krankhafter Genauigkeit“ den entscheidenden Momenten der Schlacht.6 Ist Stewart für Ginzburg gerade kein Beispiel für das, was er sich unter einer zeitgemäßen Mikrogeschichte vorstellt, so hält er nichtsdestotrotz daran fest, dass „die Reflexion über die Schlacht als historiographisches Thema […] noch immer nützlich sei“, ließe sie doch „indirekt eine prinzipielle Aporie des historischen Handwerks erkennen“.7
Was diese Aporie ausmacht, deutet Ginzburg einige Zeilen später an: „Eine Schlacht ist streng genommen unsichtbar.“8 Genau der Umgang mit dieser „Unsichtbarkeit“ bzw. Unbeobachtbarkeit ist es, der mich im Folgenden an zeitgenössischen Repräsentationen der Schlacht interessiert.
Die Politik der Medien im Siebenjährigen Krieg
Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Darstellungsproblematik werden am Beispiel des Siebenjährigen Krieges unterschiedliche zeitgenössische Strategien vorgestellt, dem Ereignis dennoch eine narrative wie bildliche Ordnung zu geben, es erzählbar und repräsentierbar zu machen, mithin zu versuchen, der Unanschaulichkeit der Geschichte zu entkommen. Der Siebenjährige Krieg war ein frühmoderner Medienkrieg, der zu einer ungeheuren Intensivierung von Flugschriftenpublizistik und Zeitungsberichterstattung führte. Die aufgeklärte Öffentlichkeit nahm regen Anteil an den Ereignissen und ließ eine hohe Nachfrage nach Darstellungen der Schlachten und Belagerungen aufkommen. Aus der umfangreichen Überlieferung möchte ich hier nur zwei Aspekte herausgreifen: die Rolle der medialen Behauptung des Schlachtfeldes und die Popularisierungsmedien des „Kunsthandwerks“.
Die tendenzielle Undarstellbarkeit stellte nicht nur ein epistemologisches, sondern auch ein politisches Problem dar, waren die in der Praxis häufig unentschiedenen Schlachten doch auf ein ebenso plastisches wie eindeutiges mediales Bild angewiesen, um einen Sieg geltend zu machen. Als Sieger einer Schlacht galt seit der Antike der Behaupter der Wahlstatt, also des Schlachtfeldes. Am Beispiel der Schlachten von Lobositz und Zorndorf wurde jüngst herausgearbeitet, dass dieses Kriterium in der Praxis wenig Eindeutigkeit besaß, erhoben doch häufig beide Parteien den Anspruch „Meister der Wahlstatt“ gewesen zu sein. Neben der performativen Behauptung des Raumes durch Siegessalven und das Absingen eines Te Deums, wurde der Sieg in allen Kirchen des Landes durch Predigten und fleißiges „Tedeumieren“, wie Friedrich der Große es nannte, kundgetan. Es folgten Zeitungsmeldungen und Kupferstiche, die einen eindeutigen Ausgang des Treffens proklamierten. Die gegnerische Partei reagierte mit Gegendarstellungen und versuchte gegen die Verbreitung der – aus ihrer Sicht – „Falschmeldungen“ einzuschreiten. Die Beanspruchung des Sieges war dabei sprichwörtlich auf Anschaulichkeit angewiesen, denn so musste geklärt werden, wo eigentlich genau der Ort der Wahlstatt war, um mit dessen Behauptung den Sieg beanspruchen zu können. Ferner wurden die Versorgung der Toten und Verwundeten sowie die symbolischen Praktiken der akustischen Siegesprätension eingehend beschrieben, um keine Zweifel am Ausgang aufkommen zu lassen. Das Beispiel der Schlacht von Zorndorf 1758 verweist dabei nachdrücklich auf die oftmalige Unmöglichkeit – anders als von Virilio suggeriert –, als Feldherr den Überblick zu behalten. So wurde Henri de Catt von Friedrich nach der Schlacht gefragt: „Haben Sie alles begriffen an diesem teuflischen Tage?“ Worauf er antwortete: „Sire, ich habe den Marsch und alle Anordnungen wohl erfasst, die vor der Schlacht getroffen wurden; ich habe auch den Beginn der Schlacht gut beobachtet; aber das übrige ist mir entgangen. Ich habe nichts von den Bewegungen verstanden, die man gemacht hat.“ Friedrich selbst ging es offensichtlich kaum anders, da er erwiderte: „Sie sind nicht der Einzige, mein Freund; Sie sind nicht der einzige – trösten Sie sich!“9
Die hohe Nachfrage, die bei den Zeitgenossen für Schlachtendarstellungen bestand, lässt sich schließlich auch an den zahlreichen Produkten eher kunsthandwerklicher Natur wie Tabaksdosen, Emaildosen, Porzellan, Münzen oder Vivatbändern ablesen. Eine Besonderheit innerhalb der Schlachtendarstellungen des Siebenjährigen Kriegs bilden zweifellos die sogenannten Iserlohner Tabaksdosen.10 Diese mit zahlreichen Motiven geprägten Dosen erlebten während des Krieges eine Hochphase und wurden relativ zeitnah als regelrechte Ereignisdosen, vornehmlich mit Schlachtenmotiven, auf den Markt gebracht. Auf den Tabakdosen wurden die in Form von Flugblättern und Kupferstichen kursierenden Schlachtenbilder übernommen und auf diese Weise in ein anderes Medium transformiert. Eine in formaler Nähe zu den Tabakdosen stehende Objektgruppe bilden die Emaildosen, deren Größe und Fertigungsart jedoch wesentlich präzisere Darstellungen zuließ, wie unter anderem ein Beispiel zur Schlacht von Torgau zeigt. Auf der Innenseite der Dose findet sich eine Karte des Kriegstheaters rund um Torgau, auf der vorderen Seite eine Bildlegende. Klappt man den Deckel zu, erkennt man darauf eine relativ detaillierte Schlachtenskizze, die wesentliche Elemente entsprechender Schlachtenstiche enthält. Im Vordergrund ist eine kleine Gruppe von beobachtenden und redenden Soldaten zu sehen, von denen eine Rauchsäule ausgeht, die weite Teile des Sichtfeldes überdeckt. Rechts im Vordergrund sehen wir eine Reiterattacke und im Hintergrund lineartaktisch gestaffelte Gefechtsreihen.
Die vor allem in der Druckgraphik anzutreffende Tendenz zur Sammlung und synoptischen Darstellung mehrerer Schlachten zeigt ein geradezu einzigartiges Artefakt des zeitgenössischen Kriegskunsthandwerks: einen Schraubtaler aus dem Jahr 1763, der zentrale Schlachten und Ereignisse des Siebenjährigen Krieges enthält.11 Die bunt bemalten Papierblättchen waren in eine aufschraubbare Münze eingelegt und entfalten ein ganzes Panorama der militärischen Ereignisse des Krieges von der Schlacht Lobositz bis zum Frieden von Hubertusburg. Die Schlacht- und Belagerungsszenen erscheinen mehr oder weniger austauschbar und sind nur durch den am Kopf der Abbildung genannten Ort zu identifizieren. Siege und Niederlagen – beispielsweise Leuthen und Hochkirch – sind kaum voneinander zu unterscheiden. Die 35 Abbildungen erlauben vor allem einen synoptischen Blick auf die Gesamtereignisgeschichte.
Eine weitere Quellengruppe, bei der kaum noch von wirklichen Schlachtenbildern die Rede sein kann, die aber aufgrund ihres Rezeptions- und Verbreitungsgrades bedeutsam ist, bilden die sogenannten Vivatbänder.12 Die Vivat- bzw. Widmungs- oder Gedenkbänder waren ähnlich wie die Tabakdosen nicht auf den Siebenjährigen Krieg beschränkt, erlebten während diesem jedoch eine nie wieder erreichte Konjunktur. Diese Bänder aus Seide wurden in Zeitungen zum Kauf inseriert und fanden regen Absatz. Man trug sie an der Kleidung oder am Degen befestigt, um seiner patriotischen oder fritzischen Gesinnung öffentlich Ausdruck zu verleihen. Aufgrund des zur Verfügung stehenden Platzes finden sich kaum komplexere Schlachtdarstellungen, sondern vielmehr Sinnsprüche, Allegorien und Porträts, die allerdings in noch weit höherem Maß als die Tabakdosen oder Stiche zu einer öffentlichen Kommunikation und Thematisierung des Schlachtensieges beigetragen haben dürften. Die genannten Artefakte machten aus der Schlacht eine Art Label, in welchem die Evidenz des Ereignisses gleichsam auf eine Bildtextformel reduziert wird.
Die Medialität des Mythos
Abschließend sollen entsprechende Medien in ihrer weiteren historischen Entwicklung betrachtet werden, um zu zeigen, mit welchen Darstellungsstrategien vom 19. bis 21. Jahrhundert das Bild der Schlachten des Siebenjährigen Krieges transportiert wird. Zwei Strategien lassen sich dabei immer wieder beobachten: Komplexität wird entweder abzubilden oder zu reduzieren versucht. Für Ersteres stehen u.a. Ölgemälde, Panoramen, Dioramen oder Schlachtkarten, für Letzteres die Schlüsselszenen von historischen Referenzbildern, Selbstzeugnissen und Anekdoten. Mit den napoleonischen Massenschlachten, so der Tenor der Forschung, seien die Schlachtfelder endgültig in unüberblickbare Größenordnungen gewachsen, denen man mit neuen Kommunikations- und Beobachtungstechniken, wie der optischen Telegrafie, dem Fernrohr oder dem Blick aus dem Ballon begegnet sei. Ästhetisch wurden neue Strategien der Illusionierung erprobt, die nur noch mit metonymisch auf die Schlacht verweisenden Zeichen operierten oder das Problem der Entgrenzung des Wahrnehmungsfeldes selbst zum Thema machten. Eine der Strategien, der immer weiter steigenden Komplexität des Schlachtgeschehens Herr zu werden, bestand in der Errichtung monumentaler Panoramen und Dioramen, wie sie unter anderem etwa für die Schlachten von Abukir, Waterloo oder Borodino entworfen wurden. Während das Panorama versucht, die Komplexität des Ereignisses möglichst umfassend abzubilden, setzt eine andere Repräsentationsstrategie eher auf die Semiotisierung und Formalisierung des Geschehens. So schrieb Charles Baudelaire Mitte des 19. Jahrhunderts in einem Brief: „Eine wahre Schlacht ist kein Gemälde, denn um als Schlacht einsichtig und dadurch interessant zu sein, lässt sie sich anders nicht darstellen als durch weiße, blaue oder schwarze Linien, welche die im Einsatz befindlichen Bataillone bezeichnen. […] Unter solchen Bedingungen kommt jedoch kein Bild zustande, oder allenfalls eine Darstellung der taktischen und topographischen Verhältnisse. […] Handelt es sich […] nicht um ein Gemälde für Taktiker und Topographen, das in der reinen Kunst nichts zu suchen hat, so ist ein Militärgemälde nur unter der Bedingung einsichtig und interessant; dass es eine einfache Episode des militärischen Lebens darstellt.“13
Die Schlacht- und Belagerungsszenen erscheinen austauschbar und sind nur durch den am Kopf der Abbildung genannten Ort zu identifizieren.
Die Darstellungen, die diesem Prinzip folgend unser heutiges Bild vom Siebenjährigen Krieg prägen, stammen nicht aus dem 18. Jahrhundert, sondern aus dem späten 19. und 20. Jahrhundert. Künstler wie Adolph von Menzel, Carl Röchling oder Albrecht Adam schufen historische Referenzbilder, also Bilder, die quasi als Symbole für einen bestimmten Ereigniszusammenhang fungieren und denen ein besonders hoher Erinnerungswert zukommt. In den vergangenen Jahren hat sich vor allem Carl Röchlings Friedrich der Große in der Schlacht von Zorndorf vor der Front des Regimentes von Bülow aus dem Jahr 1904 eindeutig als Referenzbild des Siebenjährigen Krieges etabliert. In den 1930er Jahren tauchte das Bild u.a. in populären Zigarettenbilderalben, wie beispielsweise den Ruhmesblättern der deutschen Geschichte (1934/35) auf. Das Bild verkörpert wie kaum ein anderes das Ideal soldatischen Heldentums. Der stets selbst im Feld stehende König, ohnehin schon eine markante Ausnahme innerhalb der europäischen Fürstengesellschaft, reißt hier eine schier auswegslose Situation durch sein entschlossenes Handeln herum. Friedrichs Eingreifen bündelt gleichsam eine komplexe Geschichte in einem Moment. Röchlings Bild konnte somit zu einer verdichteten Darstellung des gesamten Siebenjährigen Krieges werden. Umzingelt von den anderen europäischen Mächten gibt der Preußenkönig einfach nicht auf und schafft es so schließlich, den Krieg nicht zu verlieren und den status quo (den Besitz Schlesiens) zu halten. In jüngerer Zeit diente die Darstellung unter anderem als Titelbild eines Sonderheftes des Geschichtsmagazins G (2005) zum Siebenjährigen Krieg oder des Spiegel-Spezial-Heftes (2007) Preußen. Der kriegerische Reformstaat.
Eine amerikanische Brettspielserie mit dem Titel Battles of the Age of Reason bediente sich seiner sogar zur Illustration eines Spiels zur Schlacht von Lobositz, da man Zorndorf bereits mit einem anderen Bild bedacht hatte. Damit ist das Bild schließlich vollends aus seinem ursprünglichen Ereigniszusammenhang gelöst, es wird zu einem historisch entleerten Signifikanten, der weitgehend dekontextualisiert zur Projektionsfläche kollektiver Vorstellungen wird. Dabei treffen in etwas abgeschwächter Form auch auf Röchlings Darstellung Kriterien zu, wie sie für moderne Kriegsphotographie formuliert worden sind: Authentizität wird zunächst durch den realistischen Malstil evoziert, der durch die Darstellung von zum Teil angeschnittenen Toten und Verwundeten im Vordergrund mitten in die Szene hineinzuführen scheint. Verschiedene Handlungsabläufe erscheinen zeitlich verdichtet in einem Bild. Die Toten und Verwundeten im Vordergrund verweisen ebenso auf vorhergehende Handlungen wie der Rauch und das Feuer am Bildhorizont, waren doch die umliegenden Dörfer durch die Russen in Brand gesetzt worden. Rauch und Feuer bilden so gleichzeitig einen imaginären Bildraum im Off, der unter anderem auf die potenzielle Gefahrensituation verweist, denn der eigentliche Gegner bleibt unsichtbar. Friedrich fungiert in der rechten Bildhälfte nahe der Bildmitte als die zentrale Gebärdefigur, die durch ihre Körperhaltung, Gestik und Mimik eine existenzielle Entschlossenheit zum Ausdruck bringt. Die Bildmitte wird durch eine Gruppe von Offizieren bzw. vielleicht gar Generälen bevölkert, die sich durch eine spontane Körpersprache auszeichnen, mit der sie der die mittlere Bildachse durchziehenden, fest geschlossenen Phalanx der Linieninfanterie enthusiastisch signalisieren, dass es nun erneut zum Angriff geht. Von einem bloßen Standhalten kann angesichts der entschlossen nach vorne schreitenden Figuren keine Rede mehr sein. Rauch und Feuer sorgen schließlich auch für die synästhetische Wahrnehmungsillusion. Der Geruch und das Atmen von Pulverdampf, die Hitze der Flammen und der Donner der Geschütze scheinen so sinnlich erfahrbar zu werden. Der Betrachter wird insgesamt gleichsam unmittelbar an das Geschehen herangeführt.
Evidenz der Unanschaulichkeit
Von der Diskussion ihrer Undarstellbarkeit bis hin zu den Realitätseffekten der Historienmalerei erweist sich die Schlacht als ein zentraler Testfall für Fragen nach historischer Evidenz. An dieser Stelle sollen ausgehend von der Grundannahme, dass eine Schlacht erst medial eine wahrnehmbare Gestalt gewinnt, zunächst zwei Aspekte herausgestellt werden. Zum einen waren die Repräsentationen des Ereignisses auch im 18. Jahrhundert selbst aktiver Teil der politisch-militärischen Konfliktführung, zum anderen gibt die langfristige Repräsentationsgeschichte einer Schlacht den Blick frei auf den Wandel der Produktionsweisen von Evidenz. Eine ganze Reihe wichtiger Praktiken musste dabei unberücksichtigt bleiben: Schlachtfeldtourismus und historische Artefakte, die Schlacht in Film- und Fernsehdokumentationen, Re-Enactment und Computerspiel oder historische Ausstellungen.
Doch jenseits einer zweifellos notwendigen Ausweitung der behandelten Medien und Praktiken stellt sich schließlich die Frage, was eigentlich evident gemacht werden soll. Hier ließe sich je nach Adressatenkreis exemplarisches Heldentum, die Performanz des Sieges, taktische Details, romantischer Schauer oder einfach die Aura entscheidender historischer Ereignisse benennen. Doch was wollen wir heute noch an einer Schlacht evident machen? Die Antwort muss – dem Tagungsthema angemessen – reflexiv ausfallen: Es geht um die exemplarische Historisierung von Evidenzproduktion. Weder Friedrich der Große noch Ulrich Bräker sind das Thema, sondern die Techniken, mit Hilfe derer sie uns die Unanschaulichkeit der Geschichte anschaulich werden lassen.
1 Paul Virilio: Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung, Frankfurt a. M. 1989 [Paris 1984], S. 115f.
2 Erasmus von Rotterdam: Colloquia Familiaria. Vertraute Gespräche (=Ausgewählte Schriften 6), Darmstadt 1967, S. 13.
3 Herrn Jo. Burckhardt Menckens Zwey Reden von der Charlatanerie oder Marktschreyerey der Gelehrten, nebst verschiedener Autoren Anmerckungen. Mit Genehmhaltung des Hn. Verfassers nach der letzten vollständig-sten Auflage übersetzt, Leipzig 1716 (ND München 1981), S. 177.
4 Ebd.
5 Vgl. Carlo Ginzburg: Mikro-Historie. Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß, in: Historische Anthropologie 1 (1993), S. 169–192, hier S. 169f.
6 Ebd., S. 170; vgl. George R. Stewart: Pickett’s Charge. A Microhistory of the Final Charge at Gettysburg, July 3, 1853, Boston 1959.
7 Ginzburg, Mikro-Historie, S. 184.
8 Ebd.
9 Friedrich der Große, Gespräche mit Henri de Catt, hrsg. von Willy Schüssler, München 1981, 230–241, hier 237.
10 Vgl. Wolf-Dieter Könenkamp, Iserlohner Tabaksdosen. Bilder einer Kriegszeit, Münster 1982.
11 Abb. in Sebastian Haffner, Preußen ohne Legende, Gütersloh 1999 (zuerst 1979), S. 148f. Bereits für die ersten beiden schlesischen Kriege entstand eine Augsburger Schraubmünze mit ähnlichen Kupfern vgl. Gerda und Gottfried Mraz, Maria Theresia. Ihr Leben und ihre Zeit in Bildern und Dokumenten, 2. Aufl. München 1980, S. 82f. u. S. 347.
12 Konrad Vanja, Vivat-Vivat-Vivat! Widmungs- und Gedenkbänder aus drei Jahrhunderten (Schriften des Museums für deutsche Volkskunde Berlin, 12), Berlin 1985.
13 Charles Baudelaire, Der Salon 1859, in Ders., Sämtliche Werke/Briefe, hg. von Friedhelm Kemp und Claude Pichois, Bd. 5, Darmstadt 1989, S. 127–212, S. 166; vgl. auch Manuel Köppen, Von Tolstoi bis Griffith. Krieg im Wandel der Mediendispositive, in: Heinz-Peter Preußler (Hg.), Krieg in den Medien, Amsterdam 2005, S. 55–82, S. 56f.