Als 1996 nach seinem Tod der Nachlass des Schriftstellers Wolfgang Koeppen gesichtet wurde, stellte sich bald heraus, dass ein Großteil der nicht geringen Menge Bücher, die Koeppen in den Jahrzehnten freundschaftlicher Verbindung von seinem Verleger Siegfried Unseld erhalten hatte, ungelesen geblieben war.1 Das über diesen Umstand öfter geäußerte Erstaunen, ja die kaum verhohlene Empörung über die Tatsache, dass ausgerechnet ein Literat Bücher besessen hat – noch dazu in bedeutender Zahl –, die er niemals auch nur aufgeschlagen hatte, wirft ein bezeichnendes Licht auf ein verbreitetes Verständnis vom Zweck des Buches und die damit einhergehenden Vorstellungen von den moralischen Pflichten, die sich mit seinem Besitz verbinden.2
Zwar hat Umberto Eco in einer seiner Kolumnen für den römischen Espresso ebenso spöttisch wie zutreffend bemerkt, dass die Frage nach dem Status der Gelesenheit von Büchern nur von Personen gestellt werde, denen der Umgang mit einer Bibliothek fremd sei, doch kann ein solches argumentum ad personam nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in der expliziten Feststellung ungelesener Bücher Zweifel an der intellektuellen Fähigkeit und Redlichkeit ausdrücken.3 So bekannte etwa Heinrich Böll, dass er „das Ungelesene“, Folge einer ebenso notwendigen wie letztlich unbegründbaren persönlichen Lektürewahl, als „Last“ auf seiner Seele empfände.4 Und der mexikanische Schriftsteller Gabriel Zaid bezeichnete die sichtbare Aufstellung ungelesener Bücher noch vor kurzem als einen „schamlose[n] Betrug“.5
Eine unduldsame Erwartungshaltung gegenüber der wahrnehmbaren Akkumulation von Büchern ist ganz offensichtlich nicht auf buch- und bildungsferne Personenkreise beschränkt.
Die Vorstellung einer selbstverständlichen Lektüre aller besessenen – und schamlos ausgestellten – Bücher ist zweifelsohne naiv, schon weil sie auf der nicht minder naiven Annahme einer grundsätzlichen Lesbarkeit von Büchern gründet. Die gegenwärtige Buchmarktforschung geht sogar davon aus, dass in deutschen Haushalten ganze Hekatomben ungelesener Bücher existieren; wobei freilich die eigenen Verstöße gegen moralische Überzeugungen noch nie ein Hinderungsgrund gewesen sind, sie bei anderen lautstark aufzudecken.6 Dass es sich dabei nicht allein um ein deutsch(sprachig)es Phänomen handelt, deutet sich nicht zuletzt im Erfolg des (im übrigen sehr lesenswerten) Buchs des französischen Literaturwissenschaftlers Pierre Bayard Wie man von Büchern spricht, die man nicht gelesen hat (2007) an, das binnen kürzester Zeit mehrere Auflagen und Übersetzungen erfahren hat. Trotz ihres humorigen Tons verweist Bayards Studie als solche darauf, dass das ungelesene Buch ein bisweilen ernsthaftes Problem und zwar im Kern soziales Problem darstellen kann, das nicht zuletzt auf dem hohen gesellschaftlichen Ansehen des Buches, d.h. auf einer unreflektierten Wertzuschreibung beruht.7
Da weder Bücher noch ihre Funktion als soziales Kapital eine Erfindung der Moderne sind, ist es nicht verwunderlich, dass sich kritisch-polemische Äußerungen zum Nicht-Lesen bereits in der Antike und mit wachsender Buchkultur zunehmend häufiger finden. Dabei handelt es sich in der Vormoderne hauptsächlich um ein Phänomen der Gelehrtenkultur und zwar nicht so sehr auf Grund der mangelnden Lesefähigkeit anderer sozialer Gruppen (obgleich dies freilich eine Rolle spielt), sondern vor allem auf Grund der traditionellen Assoziation der Gelehrsamkeit mit dem Buch: Das Buch war (und ist) schlichtweg das überragende Attribut des Gelehrtenstandes. Gerade weil der Tätigkeit des Lesens im Falle der Gelehrten die besondere Kraft einer kulturellen Selbstverständlichkeit zu Eigen ist, musste der Figur des ungelesenen Buchs notwendig eine äußerst spannungsreiche und wirkungsvolle Rolle im Feld sozialer Distinktions-rhetorik zukommen. Gleichgültig wie Lesetechniken und Buchkonsum im Einzelnen tatsächlich aussahen, ließen sich Selbstpositionierung und self fashioning, Kritik und Kollegenschelte durch den Verweis auf ein Nicht-Lesen prägnant formulieren.8
II.
Keine motivgeschichtliche Studie zum Buch darf Lukians Polemik Gegen den ungebildeten Büchernarren aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert ignorieren, schon weil sich Autoren von Erasmus von Rotterdam bis Christoph Martin Wieland mehr oder weniger direkt daran orientierten. Lukian führt diese scharfe Invektive gegen einen Sammler alter Bücher, dessen vermeintliche Gelehrsamkeit er der Lächerlichkeit preiszugeben sucht. Die verachtenswerte Sinnlosigkeit der Anhäufung von Büchern beruhe darauf, dass dem Büchersammler zum einen die nötige Bildung zum Verständnis der Bücher fehle und er diese zum anderen gar nicht zum Lesen erwerbe, sondern durch ihren Besitz lediglich den Anschein von Bildung erwecken wolle.9
Die Kombination aus intellektueller Defizienz und schamlosem Willen zur Simulation sollte das Hauptmerkmal des Büchernarren in der satirischen Literatur seit dem späten 15. Jahrhundert werden. Am prominentesten ist sie ausgeführt in Sebastian Brants Narrenschiff (1494), in dem der Büchernarr den Reigen der allzumenschlichen Untugenden anführt und seine Position damit begründet, „Dann ich on nutz vil bücher han / Die ich nit lyß/ und nyt verstan“.10 (Abb. Seite 16)
Ohne größere Veränderungen findet sich der Büchernarr noch rund zweihundert Jahre später in der dem schreibwütigen Augustiner Abraham a Sancta Clara zugeschriebenen Satire Hundert ausbündige Narren (1709). Auch hier richtet sich die Kritik gegen jene, welche eifrig Bücher kaufen, aber „wenig oder selten darinn lesen / und nur vor einen Schein gantze Stellen voll im Zimmer stehen haben / selbige in schöne Ordnung stellen / abstauben und sauber halten“ und sich aus diesem Grund als „Hochgelehrt / Excellenz / als einen Doctor der Rechten“ betiteln lassen.11
Die gegenwärtige Buchmarktforschung geht davon aus, dass in deutschen Haushalten ganze Hekatomben ungelesener Bücher existieren.
Gerade die Inszenierung von Gelehrsamkeit lässt den Büchernarren aus der Reihe der Narren, wie sie bei den genannten Autoren genüsslich ausbuchstabiert werden, herausfallen. Während die anderen Narren ja vor allem dadurch charakterisiert sind, dass es ihnen kurz gesagt an Affektdisziplin und tugendhafter Mäßigkeit mangelt und sie die Folgen des eigenen Handelns nicht bedenken, zeichnet sich der Büchernarr durch ein strategisches und mithin ganz und gar nicht irrationales Verhalten aus. Er ist auf Grund von Stand und (ständisch bedingtem) Bildungsgrad gerade kein „gelehrter Narr“,12 sondern jemand, der durch Mimesis eines sozialen Habitus den gesellschaftlichen Aufstieg oder einen Prestigezuwachs anpeilt. Es sei dahingestellt, welchen Realitätscharakter diese Figur tatsächlich besaß; jedenfalls konnte sich an ihr jahrhundertelang die hitzige Rhetorik ständischer Identitätskonstruktion festmachen. So verurteilt Johann Burckhardt Mencke in seiner zuerst 1715 publizierten Charlataneria eruditorum jene Pseudo-Gelehrten, „die selber nichts haben, was sie herausgeben oder auch nur versprechen können“, und die deshalb „ihr Vermögen darauf wenden, alle Schrifften, die irgendwo zum Vorschein kommen, begierig zusammen zu kauffen; ob sie solche gleich selbst weder lesen noch verstehen können“.13 Ähnlich lautende Bemerkungen finden sich weiterhin in dem zehn Jahre später erschienenen Betrugs-Lexicon des Coburger Ratsherrn Georg Paul Hönn, in August Friedrich Cranz’ Charlatanerien (1780) und in Joseph Richters Bildergalerie weltlicher Misbräuche (1785).14
Schon auf Grund der immensen Kosten einer Büchersammlung richtete sich die Kritik zwangsläufig v.a. gegen die ökonomische und d.h. auch die politische Elite – wobei dies freilich nur selten explizit gemacht wurde. Jean de la Bruyère etwa beschreibt in seinen Caractères (1688), dem launigen Sittengemälde des ancien régime, den wohlhabenden Besitzer einer kostbar eingerichteten und ausgestatteten Bibliothek, der diese jedoch niemals betrete und die aufwändig eingebundenen Bücher nicht lese.15 Im Vorwurf des ungelesenen Buches formulierte sich womöglich weniger eine Entlarvung betrügerischer Aufsteiger aus den inferioren Ständen als vielmehr eine Kritik der Aneignung des Buches als Statussymbol. An der Figur des Büchernarren konnte sich die Selbstvergewisserung des finanziell abhängigen Gelehrtenstandes auf Grundlage seiner zentralen Alleinstellungsmerkmale Bildung (Wissen) und Denken (Methode) vollziehen. Die wiederkehrende Figur des Büchernarren und nicht-lesenden Scheingelehrten ist somit als ein Insistieren auf einer vom Besitzstand unabhängigen und nur von innen heraus zu kontrollierenden Kategorie der Zugehörigkeit zu verstehen.
Es ist nicht verwunderlich, dass mit einer zunehmenden ökonomischen Absicherung des Gelehrtenstandes durch den Ausbau der Bildungsinfrastruktur sowie mit der Entwicklung des Hofbeamtentums in den deutschen Fürstentümern die Figur des Büchernarren allmählich verschwand – einfach weil die repräsentativen Büchersammlungen des Adels zu einem nicht unwichtigen Faktor für die bürgerliche Gelehrsamkeit wurden. So bemerkt der Weimarer Hofrat Christoph Martin Wieland 1789 in der Vorrede zu seiner Übersetzung von Lukians Büchernarren, dass die Anhäufung von Büchern, auch wenn sie ungelesen blieben, doch „eine der unschuldigsten Thorheiten ist, die ein reicher Mann begehen kann.“ Sie könne, so Wieland weiter, „sogar gemeinnützig genannt werden“, denn zumindest in Frankreich „befinden sich sowohl Buchhändler als [auch] Schriftsteller […] sehr wohl [auf Grund] der Mode, daß in jedem vornehmen oder reichen Hause ein Bibliothekzimmer eben so unentbehrlich ist als ein Gesellschaftssaal“.16
Wielands mildes Urteil beruht auf der Akzeptanz des Buches als Ware, die getragen ist von strukturellen Veränderungen innerhalb der „repräsentativen Öffentlichkeit“17. In dem Maße, in dem der Gelehrtenstand seine Identität durch Titel und Posten und eben auch durch Erfolg am Buchmarkt generierte, stellte die standesfremde Aneignung seines primären Attributs kein soziales Problem mehr dar. Aus der Figur des Büchernarren wurde der Bibliomane; der massenhafte Besitz ungelesener Bücher war nur mehr Symptom einer pathologischen Störung.18
III.
Die Kritik der „Bücherfülle“ als prestigeträchtiger Raumschmuck findet sich auch in Francesco Petrarcas um 1360 entstandenen Abhandlung De remediis utriusque fortunae.19 Für eine Geschichte vormoderner Buchkritik erweist sich das Kapitel über die „copia librorum“ nicht nur auf Grund der lang anhaltenden Rezeption des Werkes als unverzichtbarer Ausgangspunkt, sondern auch, weil hier das Nicht-Lesen als fester Bestandteil gelehrter Buchpraxis gezeigt wird.
Wenngleich Petrarca ebenfalls in die Kritik an den pseudogelehrten Büchersammlungen einstimmt und die Funktionen des Buches als Handelsware als eine von der prestigetüchtigen Klasse der Vermögenden verschuldete Degenerationserscheinung beklagt, geht es ihm letztlich doch um etwas anderes. Entsprechend des im gesamten Buch postulierten Ideals des Maßhaltens zum Zwecke der Seelenruhe müssten auch die Gelehrten die Zahl ihrer Bücher gemäß ihrer jeweiligen intellektuellen Fähigkeiten beschränken. Die ungezügelte Anschaffung von Büchern bedeute eben nicht, „den Geist durch Schriften nähren, sondern: ihn durch die Masse der Dinge morden und verschütten“.20 Nicht der ohnehin geistlose Büchernarr, sondern der Gelehrte in seiner Verantwortung für die eigene intellektuelle Kapazität ist hier angesprochen. Das ungelesene Buch tritt als notwendige Bedingung der Aneignung relevanten Wissens auf: In einer Konzentration auf wenige Texte sollen – entsprechend der von Rolf Engelsing für die Vormoderne beschriebenen „intensiven Wiederholungslektüre“ – die in ihnen niedergelegten Kernaussagen herausgearbeitet werden.
Eine wesentliche Verschiebung erfuhr die Figur des ungelesenen Buches im Kontext der naturphilosophischen Methodendiskussion des 17. Jahrhunderts, als deren locus classicus René Descartes’ Discours de la méthode (1637) gelten kann. Descartes formuliert darin bekanntlich eine fundamentale Absage an die nur mit Bücherwissen operierenden Wissenschaften, da diese „sich nur nach und nach aus den Meinungen verschiedener Personen aufgebaut und vermehrt haben und daher der Wahrheit nicht so nahe kommen wie die einfachen Erwägungen, die ein Mann von gesundem Verstand ganz natürlich über die Dinge anstellen kann, die vor ihm liegen.“21 Eine erfolgsorientierte Suche nach Wahrheit müsse demnach im „Buch der Welt“ und nicht in Büchern stattfinden. Es ist nicht zu übersehen, dass diese Verschiebung des Lesens vom Buch in die Welt den Vorwurf enthält, für die Philosophen wäre jenes „Buch der Welt“ bislang ein ungelesenes geblieben.
Unter den Voraussetzungen einer allgemeinen Erkenntnisfähigkeit des Menschen und einer prinzipiellen Erkennbarkeit der Welt wird dem Bücherlesen der epistemische Status der primären gelehrten Tätigkeit abgesprochen und gegenüber dem eigenständigen Denken in eine geradezu dichotomische Position gerückt. Dass gleichwohl Lesen ohne eigenständiges Denken gar nicht möglich ist, wie auch wissenschaftliche Reflexion des medial vermittelten Inputs bedarf, spielt für diese Rhetorik keine Rolle.22 Vielmehr wird Buchverweigerung geradezu zur Bedingung der Möglichkeit der Wahrheitsfindung stilisiert, was wohl auch ein Grund dafür ist, dass Descartes die Quellen seiner naturphilosophischen Untersuchungen konsequent unterdrückt hat.23
Somit stelle sich die einst progressive Ignoranz gegenüber den Büchern nun als verantwortungsloser Akt der Ressourcenvergeudung dar, weil sie Gefahr lief, bereits gewonnene Erkenntnisse bloß zu wiederholen.
Die ostentative Ablehnung des Buches als Ausweis intellektueller Selbständigkeit gehörte schon vor Descartes zum Repertoire gelehrten self-fashionings und findet sich in etlichen Dedikationsepisteln und Vorreden gelehrter Werke des 17. Jahrhunderts. Der Naturphilosoph Cornelis Drebbel etwa ‚gesteht‘ den Lesern seines Tractats von der Natur der Elementen (1604), dass er sich zur Bekräftigung seiner Thesen nicht auf antike Autoren berufe, weil er sie schlicht nicht gelesen habe. Alle seine Erkenntnisse habe er stattdessen direkt „von der Natur empfangen“.24 Ebenso ist es auch dem Philosophen Thomas Browne ein Anliegen, seinen Lesern mitzuteilen, dass ihm bei der Abfassung seines ungemein gelehrten Werkes Religio Medici (1643) „gar keine guten Bücher zur Verfügung standen“, mit denen er seine Einfälle hätte unterstützen oder sein Gedächtnis entlasten können.25 Der Projektemacher Johann Joachim Becher stilisiert sich gar zum Autodidakten, wenn er von den Bildungsmöglichkeiten seiner Kindheit berichtet: „auß Mangel der Bücher hab ich manche Theses und Axiomata selbst von neuem / und ex lumine naturæ suchen müssen / welches mir viel Zeit genommen“.26
Es wird deutlich, dass der Dispens vom Buch zu einer „biographischen Formel“ geronnen war, der sich insbesondere die Vertreter der intellektuellen Avantgarde bedienten.27 Ihr topischer Charakter darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Behauptung des Nichtlesens von Büchern zu Gunsten eines Lesens in der Natur oder des eigenen Nachdenkens keineswegs unproblematisch war. Dies zeigt sich paradigmatisch an dem argumentativen Aufwand, den Descartes’ erster Biograf, Adrien Baillet, noch Ende des 17. Jahrhunderts betrieb, um die buchkritischen Äußerungen seines Helden mit einem Idealbild der Gelehrsamkeit zu vereinen. Nachdem Baillet in Descartes’ Lebensbeschreibung zunächst dessen Abneigung gegenüber dem Lesen wiederholt und ergänzt, dass es sich bei den meisten Bücher im Nachlass um Geschenke der Freunde handle, ist er sichtlich bemüht, den möglichen Eindruck mangelnder Bildung umgehend zu zerstreuen. Wer nämlich Descartes’ Schriften kennen würde, so Baillet, wüsste, dass er eine große Anzahl von Büchern gelesen habe. Zudem habe er alle Bücher – einschließlich der nutzlosesten und abergläubischsten – durchgeblättert, um „alles“ gesehen zu haben. Anschließend versichert Baillet seinen Lesern jedoch wiederum, dass Descartes während seines (immerhin 18 Jahre währenden) Aufenthaltes in Holland nur sehr wenig Zeit für die Lektüre geopfert habe.28
Baillets bis zur Widersprüchlichkeit getriebener Versuch, die beiden von Descartes selbst so vehement geschiedenen Modi von Gelehrsamkeit, studium und ingenium, zu harmonisieren, zeugt davon, dass der Originalitäts- und Aufbruchsgestus, als der die demonstrative Lektüreverweigerung zu betrachten ist, keineswegs auf unumschränkte Akzeptanz hoffen konnte. Deutlich wird dieses Problem in einem Brief des Astronomen Johannes Kepler vom Januar 1605, in dem dieser eine nähere Bestimmung des Verhältnisses von Buchgelehrsamkeit und Empirie mit Blick auf Gepflogenheiten der res publica litteraria vornimmt. Über seine Ad Vitellionem Paralipomena (1604) schreibt Kepler, dass er sich hinsichtlich seiner Beurteilung der traditionellen Lehrmeinungen keine Fehler vorzuwerfen habe, wegen seiner mangelnden Kenntnisse antiker Schriften habe er allerdings seine Thesen nicht mit den richtigen Autoritäten stützen können. Der eigentliche Grund für dieses Bildungsdefizit sei, dass derjenige, der „sich durch geistige Beweglichkeit auszeichnet, keine Lust [hat,] sich viel mit der Lektüre fremder Werke abzugeben; er will keine Zeit verlieren.“29 In Hinblick auf die Bedeutung antiker Autoren für die Wissenslegitimation Anfang des 17. Jahrhunderts, wohl aber auch mit Rücksicht auf die humanistischen Ambitionen seines Briefpartners beteuert Kepler, dass jener andere Gelehrtentypus, der sich durch ein großes Bücherwissen auszeichne, keinesfalls überflüssig sei und entwirft ein arbeitsteiliges Modell der Wissenschaft: „Daher ist es in Ordnung, daß die einen den anderen mit ihren Studien behilflich sind und sich gegenseitig darauf aufmerksam machen, wenn entweder der eine beim Studium der Alten gegen die Wahrheit fehlt oder der andere den Alten nicht gerecht wird, die er vernachlässigt oder nicht kennt.“30
Das ungelesene Buch, mochte es nun Folge einer epistemologisch entschuldbaren Ignoranz oder Gestus der Selbstdarstellung sein, wird hier allein als ein Problem der Rezeption charakterisiert. Während naturphilosophische Erkenntnis in Keplers Sinne einer erfahrungsbasierten Praxis jenseits des Buches bedurfte, beruhte die zu vermittelnde Erkenntnissicherheit auf demonstriertem Bücherwissen. Die im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts immer energischer sich vollziehende Etablierung anderer Instanzen der Glaubwürdigkeit resp. Verifizierung (Evidenz, Wiederholbarkeit, moralische Integrität des Wissenschaftlers etc.) ging einher mit der Abwertung der Autorität antiker und nachantiker Autoren, wobei die behauptete Leseverweigerung das polemische Pendant zur argumentierenden Kritik bildete.
Fünfzig Jahre nach Keplers Brief konnte Blaise Pascal in Bezug auf den Gebrauch der Bücher schon ‚zwei Kulturen‘ unterscheiden. Während in schriftbasierten Disziplinen wie Geschichte, Geographie, Jurisprudenz und Theologie die Bücher fraglos uneingeschränkte Autorität besäßen, seien sie in den Wissenschaften, die auf der Sinneswahrnehmung und dem Verstandesurteil beruhten – u.a. Mathematik, Musik, Physik, Medizin, Architektur –, schlicht nutzlos.31 Ein Verweis auf Aristoteles oder andere kanonische Größen der traditionellen Naturphilosophie geriet allmählich von einer verlässlichen Absicherung eigener Ergebnisse zum Verdachtsmoment methodischer Unzulänglichkeit. Damit erweist sich der Gestus des Nicht-Lesens als markantes rhetorisches Element in der Herausbildung der Figur des Wissenschaftlers in Opposition zum traditionellen Gelehrten, dessen Prestige sich an der gelesenen und reproduzierbaren Literatur bemaß.
IV.
Dass die ostentative Verweigerung und Verschmähung von Büchern letztlich ebenso ein bloßer Gestus der Gelehrsamkeit sein konnte wie das am Regal demonstrierte Bücherwissen, war freilich auch schon den aufmerksamen Zeitgenossen nicht entgangen. So zählt das bereits genannte Betrugs-Lexicon zu den Praktiken, mit denen Gelehrte ihr Prestige zu steigern suchten, auch jene Behauptung, „daß sie sich gar keine, oder doch sehr wenige Bücher anschafften, gleichwohl aber heimlich einen guten Bücher-Vorrat und Bibliothecam selectam haben, nur damit man sie vor Selbst-Gelehrte, oder vor solche, die alles, was sie schreiben, aus ihrem eigenen Gehirn hernehmen, halten möge.“32
Einwände wie diese konnten nicht verhindern, dass die Distanzierung vom Buch auf Grund ihres Impetus der intellektuellen Selbstermutigung in den Kanon der Aufklärungsrhetorik übernommen und zu den Charakteristika des Idealtypus, dem Genie, gezählt wurde. „Die größten Denker, die mir vorgekommen sind“, schreibt Georg Christoph Lichtenberg um 1775, „waren gerade unter allen Gelehrten die ich habe kennen gelernt die, die am wenigsten gelesen hatten.“33 Der Grund dafür, dass „Leute die sehr viel gelesen haben […] selten große Entdeckungen“ machten, liegt darin, dass das Erfinden eine Selbstbetrachtung der Dinge voraussetzt: „man muß mehr sehen als sich sagen lassen.“34
Diese nicht mehr ganz neue Einsicht trug Immanuel Kant den Hörern seiner Anthropologie-Vorlesung des Wintersemesters 1772/1773 gar in Form einer Anleitung für die philosophische Praxis vor: „Schrifften, über die Materie, worüber man dencket, muß man nicht nachlesen, sonst bindet man das Genie“.35 Die Originalität des Genies gründe sich nicht, so erläutert Kant an anderer Stelle ganz konventionell, „auf die reproductive Einbildungskraft, sondern auf die productive und eine fruchtbare Einbildungskraft in der Hervorbringung […].“36 Gerade weil das Genie – anders als der Büchernarr – versteht, was es liest, darf es nichts lesen, was seinen Verstand und vor allem seine Fantasie in ausgefahrene Bahnen lenkt.
Ganz in diesem Sinne argumentiert auch Arthur Schopenhauer in seinen Auslassungen über die Folgen des Lesens für das Denken. Beeinflusst von Lichtenbergs Bemerkungen, wie Dieter Lamping gezeigt hat, schildert er das Lesen als ein Denken am „Gängelbande“ anderer, was auf Dauer zum Verlust der eigenen Verstandeskräfte führen müsse.37 Wie vor ihm bereits Kant leitet Schopenhauer aus dieser Einsicht eine methodische Warnung ab:
Es ist sogar gefährlich, früher über einen Gegenstand zu lesen, als man selber darüber nachgedacht hat. Denn da schleicht sich mit dem neuen Stoff zugleich die fremde Ansicht und Behandlung desselben in den Kopf, und zwar um so mehr, als Trägheit und Apathie anrathen, sich die Mühe des Denkens zu ersparen und das fertige Gedachte anzunehmen und gelten zu lassen. Dies nistet sich jetzt ein, und fortan nehmen die Gedanken darüber gleich den in Gräben geleiteten Bächen stets den gewohnten Weg: einen eigenen, neuen zu finden ist dann doppelt schwer.38
Wie viele Autoren (mit der vergleichsweise frühen Ausnahme Bechers) übersahen oder ignorierten auch Lichtenberg, Kant und Schopenhauer in ihrer Emphase einer ungebundenen Originalität, dass das von Bücherwissen unbeleckte Genie stets Gefahr laufen musste, bereits von anderen Gedachtes und Publiziertes erneut zu denken. Um einer derartigen, aus fortschrittsoptimistischer Perspektive unerträglichen Zeitverschwendung vorzubeugen, plädiert Albrecht von Haller 1757 in der Vorrede zu den Elementa physiologiae corporis humani (1757–1766) für eine Rehabilitierung des Buches. Gegen die „Bücherverächter“ unter seinen Berufskollegen, welche sich in ihrer Forschung begnügten, „die Natur selbst reden zu hören“, hebt Haller die Rolle des Buches als Wissensspeicher und Grundlage wissenschaftlichen Erfolgs hervor.39 Es scheint naheliegend, dass eine solche Haltung von jemandem vertreten wird, der anatomische Studien ebenso intensiv bzw. exzessiv betrieb, wie er Bücher rezensierte. Viel entscheidender ist aber, dass sich in Hallers Apologie des Bücherwissens ein ganz wesentlicher Entwicklungsschritt des Paradigmenwechsels neuzeitlicher Wissenschaftsorganisation abzeichnet.
Bücher verschaffen, so Haller, „eine Menge guter Beschreibungen von Dingen, nuzzbare Versuche, Eröfnungen kranker Körper, die sich zu unsren Absichten schikken, und das ohne gar zu grosse Kosten, welches alles wir ohnmöglich durch unsern eigenen Fleiß würden allein erhalten können.“ Zudem würden „die Entdekkungen dargeboten, die man seit denen letzten hundert und zwanzig Jahren gemacht hat, und vermittelst welcher man allerdings der Erkenntnis der Wahrheit viel weiter gekommen ist, als in funfzig Jahrhunderten vorher.“40
Die empirisch-experimentelle Naturphilosophie, die sich auch der Abkehr vom Buch rühmte, hatte mit fortgesetzter Entdeckung von Neuem die Sicherheit einer begrenzten und überschaubaren Menge möglicher Wissensinhalte aufgegeben. Auf diese kontinuierliche Erweiterung und Partikularisierung des Wissens reagierte Haller mit der Einforderung einer Ökonomie von Arbeitskraft, Zeit und Finanzen, als deren notwendiges Medium das Buch wiederum als unverzichtbar erschien. Seit in der Naturforschung deutlich geworden war, dass die Wahrheit als Ganzes sich nicht mehr einem einzelnen Gelehrten enthüllte, hatte sich die Wissenschaft zu einem Großprojekt der kontinuierlichen Annäherung durch Datensammlung und Wissensakkumulation entwickelt, das die Grenzen des Individuums, seiner Erfahrungsmöglichkeiten und seiner Lebenszeit überschritt.41 Somit stellte sich die einst progressive Ignoranz gegenüber den Büchern zu Gunsten einer den eigenen Interessen folgenden Empirie nun als verantwortungsloser Akt der Ressourcenvergeudung dar, weil sie in ihrer selbstverschuldeten Ahnungslosigkeit Gefahr lief, bereits gewonnene Erkenntnisse bloß zu wiederholen.42
Natürlich dienten Hallers wissenschaftsorganisatorische Reflexionen auch der Begründung des von ihm vorgelegten Werkes und es wäre überdies zu fragen, ob es sich bei dem Verweis auf die „Bücherverächter“ nicht bloß um eine nun negativ konnotierte Fortschreibung des Topos gelehrter Selbstdarstellung handelt. Gleichwohl lässt sich in naturwissenschaftlichen Selbstdarstellungen seit dem späten 18. Jahrhundert eine Abnahme polemischer Gegenüberstellungen von Empirie und Bücherwissen feststellen, was nicht zuletzt auf den von Haller genannten Bedarf nach einer Wissensökonomie unter dem Primat von Professionalisierung und Institutionalisierung zurückzuführen ist.
Allerdings war die moderne Wissenschaft mit ihren wohlorganisierten Verwaltungsapparaten, Netzwerken und Routinen nicht eben geeignet, die Sehnsucht nach dem Originalgenie, das sich mit kühner Geste über das wissenschaftliche Establishment hinwegsetzt und im Alleingang einen Paradigmenwechsel einläutet, ganz verblassen zu lassen. Davon zeugt etwa, dass Albert Einstein Anfang der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts Galileo Galileis Ignoranz gegenüber der von Kepler entdeckten elliptischen Form der Planetenbahnen mit dem schon bekannten Anthropologem rechtfertigt, „daß schöpferische Menschen oft nicht rezeptiv orientiert sind.“43 Dank seiner allgemeinen Fassung, stand es den Lesern natürlich frei, diesen Grundsatz auch auf seinen Urheber anzuwenden.
V.
Mit der bei Haller anklingenden und zur selben Zeit einsetzenden Abtrennung der Naturwissenschaften von der Philosophie fand die Figur der Buchverweigerung Eingang in die sich herausbildende Subjektphilosophie. Das zentrale Motiv klingt bereits im berühmten Brief Gotthold Ephraim Lessings an seine Mutter aus dem Jahr 1749 an. Der nachmalige Bibliothekar und ausgewiesene Bibliomane rechtfertigt hier die Vernachlässigung des Studiums zu Gunsten seiner Teilnahme am außeruniversitären Studentenleben und der Leipziger Theaterkultur mit einem ethisch motivierten Sinnverlust: „Ich lernte einsehen, die Bücher würden mich wohl gelehrt, aber nimmermehr zu einem Menschen machen.“44 Das Schicksal, dem er durch die Flucht aus der Studierstube zu entgehen meinte, hatte Lessing schon im Jahr vor dem Brief in seinem Drama Der junge Gelehrte ausgemalt, in dem die Titelfigur unausgesetzt ihre eigene Lebensuntüchtigkeit vorführt.
Auf Grund ihrer potenziell verderblichen Wirkung spielt der Umgang mit Büchern in Jean-Jacques Rousseaus pädagogischer Utopie Émile (1762) eine nicht unwichtige Rolle. In seinem Konzept einer den natürlichen Anlagen des Menschen gemäßen Erziehung kann Rousseau auf Bücher nicht verzichten, wenngleich er bekennt: „Ich hasse Bücher! Sie lehren nur, von dem zu reden, was man nicht weiß.“45 Entsprechend bedarf es in der Erziehung einer genauen Auswahl der Lektüre, die sich für die frühe Kindheit auf ein einziges Werk, Robinson Crusoe, beschränkt, den Rousseau als Enzyklopädie aller für das Leben relevanten Lehren in Romanform preist. Fernerhin kommt alles darauf an, frühzeitig den Geschmack an weniger und nützlicher Literatur zu entwickeln, da auf Grund der schieren Menge an Büchern die Gefahr bestünde, über diese die Welt zu vergessen.46
Obwohl Rousseau betont, dass sein pädagogisches Programm auf die Verbesserung der gesamten Gesellschaft ziele, stieg in der Folgezeit das Bewusstsein dafür, dass der intellektuellen Verfahrenheit (oder dem Unbehagen im Pluralismus) des Menschen nicht mit einer partiellen Lektüreverweigerung des einzelnen Menschen beizukommen war. In dem Maße, in dem die Qualität des Wissens nicht nur als individuelles Problem sondern als sozialer Faktor historischer Entwicklung verstanden wurde, häuften sich Wunschvorstellungen von einer umfassenden Befreiung vom Buch als dem hauptsächlichen Instrument kultureller Verbildung und Entfremdung. Gleichsam in Analogie zu den mythischen Katastrophen von Sintflut und Weltenbrand, die der Menschheit einen sündenbefreiten Neuanfang erlaubten, wird ausgerechnet Büchervernichtung als Möglichkeitsbedingung von Aufklärung in Erwägung gezogen. Ein zuverlässiges und vernunftgegründetes „Gebäude der menschlichen Kenntnisse“, so erläutert der Vorsteher der königlichen Bibliothek zu Paris in Louis-Sébastien Merciers Zukunftsroman L’an 2440 (1771), sei nur zu errichten, wenn man sich „der nutzlosen Dinge entledigt, die uns die wahre Ansicht der Welt verdeckten“. Daher habe man nach sorgfältiger Prüfung einen Großteil des enormen Buchbestandes verbrannt, auf Grund dessen die Bibliothek einstmals ein „Sammelplatz der größten Ausschweifungen wie der dümmsten Illusionen“ gewesen sei.47
Eine ähnlich radikale Fantasie von einer kollektiven Erlösung formuliert 1844 Søren Kierkegaard mit der Hoffnung auf einen universellen Bibliotheksbrand: „Ja, kann man zuweilen mit einer gewissen Erleichterung daran denken, daß Cäsar die ganze alexandrinische Bibliothek verbrennen ließ, dann könnte man der ganzen Menschheit wirklich wohlmeinend wünschen, daß jener Überfluß von Wissen wieder weggenommen würde, damit man wieder erfahren könnte, was es heißt, als Mensch zu leben.“48
Auch mit der Aufgabe des Naturideals zu Gunsten von Kulturalismus und Konstruktivismus blieben Bücher prekäre Objekte. Insofern sie als Hindernisse auf dem Weg zur Eigentlichkeit erschienen, barg jede Hinderung am Lesen die Möglichkeit der Rückbesinnung in sich. Berühmt ist Friedrich Nietzsches Umwertung der eigenen, bis an den Rande der Blindheit führenden Erkrankung zur Entdeckung des Selbst: „Meine Augen allein machten ein Ende mit aller Bücherwürmerei, auf deutsch: Philologie: ich war vom ‚Buch‘ erlöst, ich las jahrelang Nichts mehr – die grösste Wohlthat, die ich mir je erwiesen habe! – Jenes unterste Selbst, gleichsam verschüttet, gleichsam still geworden unter einem beständigen Hören-Müssen auf andre Selbste (– und das heisst ja lesen!) erwachte langsam, schüchtern, zweifelhaft, – aber endlich redete es wieder.“49
VI.
Historische und besonders ideengeschichtliche Entwicklungen auf eine Pointe zu reduzieren, birgt stets die Gefahr, sie ihres Witzes zu berauben. Immerhin lässt sich für die Rhetorik des Nicht-Lesens allgemein feststellen, dass sich das Selbstverständnis des Gelehrtenstandes damit ebenso anschaulich darstellen ließ wie die Kurswechsel seines Denkens. Es ist daher weder ironisch noch gar paradox, dass gerade Gelehrte eine Abwehrhaltung gegen das Buch artikulierten und dass sie dies wiederum in Büchern taten, sondern nur ein Zeichen von Polemik. Als solche hatte sie keinen Bezug zur konkreten Arbeitspraxis, sondern diente allein dazu soziale, methodische und bisweilen persönliche Oppositionen zu formulieren. Eine solche Rhetorik konnte freilich nur wirklich greifen, solange ihr topischer Charakter nicht offensichtlich wurde – ihr idealer Adressat war der unbelesene Leser.
(für Gerald Reuther)
Anmerkungen
* Der vorliegende Beitrag ist die überarbeitete Fassung eines Vortrages, der auf dem Symposion „Buchpraktiken und Bücherwissen 1450-1750“ (Bibliothek Stiftung Werner Oechslin, Einsiedeln) im Juni 2010 gehalten wurde. Ich danke den TeilnehmerInnen für ihre hilfreichen Kommentare und Anregungen.
1 Vgl. Stefan Eggert: „Abfahrbereit“. Wolfgang Koeppens Orte. Topographie seines Lebens und Schreibens. Berlin, 2006, S. 7f.
2 Siehe zu diesem Komplex die erhellenden Studien von Ursula Rautenberg: Das Buch in der Alltagskultur. Eine Annäherung an zeichenhaften Buchgebrauch und die Medialität des Buches. Erlangen, 2005. Online: http://www.buchwiss.uni-erlangen.de/forschung/publikationen/RautenbergXV-1.pdf [10.03.2010].
3 Umberto Eco: „Wie man eine Privatbibliothek rechtfertigt“. In: Sämtliche Glossen und Parodien. Übs. v. Burkhart Kroeber u. Günter Memmert. München u. Wien, 2002, S. 336-338. Eine auffallend ähnliche Beobachtung schildert Uwe Schütte: „Finis libris. Über gelesene, ungelesene, ungeschriebene und verbrannte Bücher“. In: Literatur und Kritik 403/404 (2006), S. 55-62.
4 Heinrich Böll: „Eine Last auf meiner Seele (1979)“. In: Werke. Kölner Ausgabe. Hg. v. Jochen Schubert. Köln, 2006, Bd. 21, S. 335.
5 Gabriel Zaid: „So viele Bücher“. In: So viele Bücher. Erstaunliches, Kurioses und Nachdenkliches rund ums Lesen. Übs. v. Jürgen Neubauer. Frankfurt a.M., 2005, S. 11-24, hier S. 12.
6 Vgl. Patricia F. Zeckert: „Ein alter Unbekannter. Das Phänomen des ungelesenen Buches“. In: Buch – Markt – Theorie. Kommunikations- und medienwissenschaftliche Perspektiven. Hg. v. Thomas Keiderling, Arnulf Kutch u. Rüdiger Steinmetz. Erlangen, 2007, S. 153-179.
7 Pierre Bayard: Comment parler des livres que l’on n’a pas lus? Paris: De Minuit, 2007; Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat. München, 2007; How to Talk About Books You Haven’t Read. New York, 2009.
8 Zum gelehrten Lesen siehe Bernhard Fabian: „Der Gelehrte als Leser“. In: Buch und Leser. Vorträge des ersten Jahrestreffens des Wolfenbütteler Arbeitskreises für Geschichte des Buchwesens. Hg. v. Herbert G. Göpfert. Hamburg, 1977, S. 48-88 sowie Helmut Zedelmaier: „Lesetechniken. Die Praktiken der Lektüre in der Neuzeit“. In: Die Praktiken der Gelehrsamkeit in der Frühen Neuzeit. Hg. v. dems. u. Martin Mulsow. Tübingen, 2001, S. 11-30, bes. S. 19-25.
9 Vgl. Lukian von Samosata: „Gegen den ungebildeten Büchernarren“. In: Gegen den ungebildeten Büchernarren. Ausgewählte Werke. Übs. v. Peter von Möllendorff. Zürich, 2006, S. 210-227.
10 Sebastian Brant: Das Narrenschiff. Hg. v. Manfred Lemmer. Tübingen, 1986, S. 7 [a4r].
11 [Abraham a Sancta Clara]: Centi-Folium Stultorium In Quarto. Oder Hundert Ausbündige Narren. / in Folio. Dortmund, 1978 [Nachdruck d. Ausg. Wien u. Nürnberg, 1709], S. 56.
12 Vgl. Alexander Košenina: Der gelehrte Narr. Gelehrtensatire seit der Aufklärung. Göttingen, 2004, bes. S. 133-152.
13 Johann Burckhardt Mencke: Zwey Reden von der Charlatanerie oder Marcktschreyerey der Gelehrten. Leipzig, 1716, S. 73f.
14 Vgl. Georg Paul Hönn: Betrugs-Lexicon […]. 3. Aufl. Coburg, 1724, S. 171; [August Friedrich Cranz]. Charlatanerien in alphabetischer Ordnung als Beyträge zur Abbildung und zu den Meinungen des Jahrhunderts. 2. Aufl. Berlin, 1781, II, S. 38ff.; Pater Hilarion [= Joseph Richter]: Bildergalerie weltlicher Misbräuche […]. Frankfurt a.M. u. Leipzig, 1785, S. 149-162.
15 Jean de la Bruyère: Die Charaktere oder die Sitten des Jahrhunderts. Übs. u. hg. v. Gerhard Hess. Leipzig, 1970, S. 328f.
16 Lucians von Samosata sämtliche Werke. Übs. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1789, Bd. 6, S. 33.
17 Zum Begriff der „repräsentativen Öffentlichkeit“ siehe Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt a.M., 2002.
18 Vgl. Andreas Frewer u. Stefanie Stockhorst: „Bibliomanie als Krankheit und Kulturphänomen. Pathographische Fallanalysen zur Rezeption von Magister Tinius (1768-1846)“. In: KulturPoetik. Zeitschrift für kulturgeschichtliche Literaturwissenschaft 3 (2003), S. 246-262 sowie Kirsten Dickhaut: „Der Mensch als Bücherfeind. Biblioklasten – Bibliophile – Bibliomane“. In: Verbergen, Überschreiben, Zerreißen. Formen der Bücherzerstörung in Literatur, Kunst und Religion. Hg. v. Mona Körte u. Cornelia Ortlieb. Berlin, 2007, S. 163-179, hier S. 171-179.
19 Francesco Petrarca: Heilmittel gegen Glück und Unglück. De remediis utriusque fortunae. Übs. v. Rudolf Schottlaender. Hg. v. Eckhard Kessler. München, 1988, S. 81, 83 u. 89.
20 Ebd., S. 85.
21 René Descartes: Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung. Übs. u. hg. v. Lüder Gäbe. Hamburg, 1997, II, 1, S. 21.
22 Vgl. Kurt Flasch: „Denken oder Lesen?“. In: Scholion 5 (2008), S. 8-20.
23 Vgl. Michel Authier: „Die Geschichte der Brechung und Descartes’ ‚vergessene‘ Quellen“. In: Elemente einer Geschichte der Wissenschaften. Hg. v. Michel Serres. Frankfurt a.M., 1995, S. 445-485.
24 Cornelis Drebbel: Ein kurtzer Tractat von der Natur der Elementen. Leyden, 1608, o.P. [Vorrede].
25 „I had not the aßistance of any good book, whereby to promote my invention, or relieve my memory“. Thomas Browne: Religio Medici. London, 1659, o.P. [to the Reader].
26 Johann Joachim Becher: Methodus didactica […]. Frankfurt a.M., 1674, o.P. [)()()(3v].
27 Zu Begriff und Funktion der „biographischen Formel“ siehe Ernst Kris u.Otto Kurz: Die Legende vom Künstler. Ein geschichtlicher Versuch. Frankfurt a.M., 1995.
28 Adrien Baillet: La vie de Monsieur Descartes. Paris, 1691, II, VIII, iii, S. 467f.
29 Johannes Kepler: „Brief an J. G. Brenger in Kaufbeuren (Prag, 17. Januar 1605)“. In: Johannes Kepler in seinen Briefen. Hg. v. Max Caspar u. Walther von Dyck. München u. Berlin, 1930, Bd. 1, S. 217.
30 Ebd.
31 Vgl. Blaise Pascal: „Fragment eines Vorwortes zur Abhandlung über den leeren Raum“. In: Vermächtnis eines großen Herzens. Die Kleineren Schriften. Übs. v. Wolfgang Rüttenauer. Leipzig, 1938, S. 1-10, hier S. 2f.
32 Hönn (Anm. 14), S. 171.
33 Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Hg. v. Wolfgang Promies. Frankfurt a.M., 1994, Bd. 1, S. 520, Nr. 439.
34 Ebd., Bd. 1, S. 443, Nr. 467.
35 Immanuel Kant: „Die Vorlesung des Wintersemesters 1772/73 aufgrund der Nachschriften: Collins“. In: Vorlesungen über Anthropologie (= Kants gesammelte Schriften Bd. 25). Hg. v. d. Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Berlin, 1997, Bd. 25.1, S. 1-238, hier S. 86.
36 Immanuel Kant: „Die Vorlesung des Wintersemesters 1781/82 [?] aufgrund der Nachschriften Menschenkunde, Petersburg“. In: Kant’s Vorlesungen (Anm. 35), S. 849-1203, hier S. 945.
37 Vgl. Dieter Lamping: „Selbstdenken und Bücherlesen. Zu Schopenhauers Kritik des Lesens“. In: Schopenhauer-Jahrbuch 66 (1985), S. 187-194.
38 Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Hg. v. Ludger Lütkehaus. München, 2002, II, i, 7, S. 93.
39 Albrecht von Haller: Anfangsgründe der Physiologie des menschlichen Körpers. Übs. v. Johann Samuel Haller. Berlin, 1759, Bd. 1, o.P. [Vorrede d. Verf.].
40 Ebd., o.P. [Vorrede d. Verf.].
41 Vgl. Hans Blumenberg: „Das Fernrohr und die Ohnmacht der Wahrheit“. In: Galileo Galilei: Sidereus Nuncius. Nachricht von neuen Sternen. Hg. v. Hans Blumenberg. Frankfurt a.M., 1965, S. 5-73, hier S. 19f.
42 Vgl. Haller (1759), o.P. [Vorrede d. Verf.].
43 Albert Einstein: „Galileo Galilei“. In: Galileo Galilei: Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme: Das ptolemäische und das kopernikanische. Übs. u. erl. v. Emil Strauss. Hg. v. Roman Sexl u. Karl von Meyenn. Stuttgart, 1982, S. [VII]-XII, hier S. XI. Ich danke Bertram Kaschek für den Hinweis.
44 Gotthold Ephraim Lessing: „An Lessings Mutter (20. Januar 1749)“. In: Sämmtliche Schriften. Hg. v. Karl Lachmann. Berlin, 1840, Bd. 12, S. 9-13, S. 4f.
45 Jean-Jacques Rousseau: Emil oder über die Erziehung. Übs. v. Ludwig Schmidts. Paderborn, 1971, III, S. 179.
46 Vgl. ebd., IV, S. 248 u. 371 sowie V, S. 496.
47 Louis-Sébastien Mercier: Das Jahr 2440. Ein Traum aller Träume. Übs. v. Christian Felix Weiße. Hg. v. Herbert Jaumann. Frankfurt a.M., 1982, XXVIII, S. 112f.
48 Sören Kierkegaard: Philosophische Brosamen und unwissenschaftliche Nachschrift. Köln u. Olten, 1959, S. 406.
49 Friedrich Nietzsche: „Ecce homo. Wie man wird, was man ist“. In: Der Fall Wagner. Götzen-Dämmerung. Der Antichrist. Ecce homo. Dionysos-Dithyramben. Nietzsche contra Wagner (= Kritische Studienausgabe, Bd. 6). Hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari. München, 1988, S. 255-374, hier S. 326.