Der Mikrobiologe und Nobelpreisträger Salvador Edward Luria beobachtet 1973 in einem Aufsatz, der in der prominenten, von der American Academy of Arts and Sciences herausgegebenen Zeitschrift Daedalus erscheint, dass die Großforschung die Geisteswissenschaften noch nicht erreicht habe: „big humanities are still a few years away“ (Luria 1973, 81). Wie sieht es heute, 35 Jahre danach aus? Wenn man den letztjährigen Äußerungen von Cathy Davidson in den Publications of the Modern Language Association glauben darf, beginnt das Zeitalter der „Big Humanities“ gerade (Davidson 2008, 714). Und auch Marjorie Garber sieht in ihrer letzten Monografie, die 2008 veröffentlicht wurde, die Zukunft der geisteswissenschaftlichen Fächer in den „Big Humanities“ (Garber 2008, 183). Diese wissenschaftspolitischen Äußerungen mögen im amerikanischen Raum einflussreich sein, haben dort bisher aber noch keine nennenswerte institutionelle Realisierung gefunden. Mit Ausnahme vielleicht des Stanford Humanities Lab, das sich ausdrücklich den „Big Humanities“ verpflichtet weiß. Dort heißt es programmatisch: „We are committed to a Big Humanities / Big Arts approach to humanistic inquiry and artistic practice, modeled along the lines of Big Science: large-scale, long-term, team-based projects that build big pictures out of the tesserae of expert knowledge.“
Die Merkmale von „Big Humanities“, die sich diesem Programmtext entnehmen lassen, sind die folgenden: (1) Die „Big Humanities“ orientieren sich am Modell von „Big Science“; daraus ergibt sich (2) die Größe, (3) die Langfristigkeit, (4) und die kooperative Arbeitsform der (5) projektförmig organisierten Arbeit, die (6) das Ziel der vereinigenden Synthese („big pictures“) des gleichsam in einzelne Mosaiksteinchen zerstreuten Expertenwissens verfolgt. Die zentralen Merkmale von „Big Humanties“ beziehungsweise „Big Science“ finden sich in dieser knappen Charakterisierung bereits prägnant zusammengefasst. Nur, um die Aufmerksamkeit gleich auf das erste Merkmal zu lenken: Was ist eigentlich mit „Größe“ gemeint? Dass die „Big Humanities“ in irgendeiner Hinsicht „large-scale“, also von großem Maßstab sein müssen, ergibt sich schon auf dem „big“. Nur: Was bedeutet „big“ oder „large-scale“, was bedeutet „groß“ in diesem Zusammenhang? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Im Wesentlichen sind es drei Probleme, die einer schnellen Beantwortung dieser Fragen entgegenstehen:
Erstens ist häufig unklar, ob es sich bei „Big Science“ beziehungsweise „large-scale science“ oder dem deutschen Pendant „Großforschung“ um eine historische oder analytische Kategorie handelt. Denn „Big Science“ ist seit den 1960er-Jahren (1) Selbstbeschreibungskategorie (1.1) von Wissenschaftlern, (1.2) und von Wissenschaftsmanagern; aber auch (2) eine noch in der aktuellen Wissenschaftsforschung verwendete Analysekategorie.
Zweitens ist „Big Science“ sowohl eine wissenschaftsinterne, als auch eine wissenschaftsexterne Kategorie, die also (1) einer wissenschaftsinternen Abgrenzung dient, wenn ein bestimmter Typ von Wissenschaft (nämlich „Big Science“) von einem anderen Typen von Wissenschaft („little science“) abgegrenzt werden soll, aber auch (2) einer wissenschaftsexternen Abgrenzung dient, wenn die Größe der Wissenschaft insgesamt von der Größe anderer Felder intellektueller Aktivität (z. B. Religion) abgegrenzt werden soll.
Ist nicht auch der Thesaurus Linguae Latinae eine Art Großgerät, eine Art „Big Science“?
Drittens wird „Big Science“ sowohl als eine diachrone, als auch als eine synchrone Beschreibungskategorie benutzt: (1) diachron im Sinne einer Größe der Wissenschaft relativ zu der (angeblich) kleinen Wissenschaft, die ihr voranging, (2) synchron im Sinne einer Größe des Ressourcenaufwands der Wissenschaft relativ zu den überhaupt zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Ressourcen einer Gesellschaft (z. B. relativ zum Bruttoinlandsprodukt).
„Größe“ ist also nicht nur von Haus aus ein relatives Merkmal; „Größe“ kann in unterschiedlichen wissenschaftlichen und wissenschaftshistorischen Kontexten ganz Verschiedenes bedeuten. Um hier etwas Klarheit zu erlangen, werde ich deshalb in einem nächsten Schritt kurz skizzieren, wie „Größe“ von Wissenschaften bisher in der Wissenschaftsforschung thematisiert und analysiert wurde.
Big Science
Wenn man von „Big Science“ oder „Großforschung“ spricht, denkt man zuerst an wissenschaftliche Vorhaben, die wirklich „groß“ waren oder sind (Ritter 1992). Das Manhattan Project, das MIT Radiation Laboratory, die Bell Labs, oder um die Gegenwart etwas stärker zu fokussieren, das Hubble-Teleskop, der Large Hadron Collider oder das mit circa 100 Milliarden Euro Bau- und Betriebskosten teuerste Objekt der bisherigen Weltgeschichte: die Internationale Raumstation (ISS).
Der Hinweis auf große und teure Geräte ist nicht zufällig. In der Erforschung von „Big Science“ war mit „Größe“ anfangs vor allem genau das gemeint: der Bau und Betrieb großer und teurer wissenschaftlicher Geräte. In dem Aufsatz, der am Beginn der intensiven Auseinandersetzung um „big science“ steht, in Alvin Weinbergs Artikel über Impact of Large-Scale Science on the United States, der 1961 in Science erscheint, bedeutet „Big Science“ in erster Linie „big tools“, d. h. monumentale Geräte wie Teilchenbeschleuniger oder Nuklearreaktoren, die dann auch mit Pyramiden und Kathedralen verglichen werden (Weinberg 1961). Die wissenschaftlichen ‚Kathedralen‘ können, das wird Beobachtern wie Weinberg immer deutlicher, nur noch von staatlich getragenen Institutionen gebaut werden, weshalb das Problem der Gouvernementalisierung der Wissenschaften zunehmend ins Zentrum des Interesses rückt; wie auch die 1962 erfolgte Gründung der Zeitschrift Minerva: A Review of Science, Learning and Policy durch Edward Shils belegt. Der Diskursstrang, an dessen Anfang der Artikel von Weinberg steht, problematisiert „Big Science“ hauptsächlich in synchroner und in wissenschaftsorganisatorischer beziehungsweise -politischer Perspektive. Steven Shapin hat wichtige Aspekte dieses Diskursstrangs, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf die forschungsorganisatorischen Probleme einer weitgehend staatlich getragenen „Big Science“ konzentriert, in seiner letzten Monografie The Scientific Life. A Moral History of a Late Modern Vocation rekonstruiert (Shapin 2008).
Der Artikel von Weinberg wird auch zu Beginn von Little Science, Big Science zitiert, dem Buch von Derek J. de Solla Price, das den zweiten, eher wissenschaftshistorisch und -soziologisch ausgerichteten Diskursstrang über „Big Science“ begründet (Price 1963, 2). Price, selbst zunächst Expertimentalphysiker und später Wissenschaftshistoriker, bietet in seinen vier im Sommer 1962 gehaltenen Vorlesungen ein big picture des Wachstums der Wissenschaften seit der scientific revolution. Das Ergebnis seiner empirischen Studien ist, dass sich für die Wissenschaft seit dem 17. Jahrhundert ein exponentielles Wachstum feststellen lässt. Betrachtet man neben den bibliometrischen auch institutionelle, personelle und finanzielle Indikatoren, so scheint die Wissenschaft in den letzten Jahrhunderten die am schnellsten wachsende ‚Institution‘ gewesen zu sein (Weingart 2003, 31–39).
Die Antikeforschung des 19. Jahrhunderts hatte Avantgarde-Charakter im Hinblick auf die Entwicklung der naturwissenschaftlichen „Big Science“.
Aber wie schnell die Wissenschaft seit der scientific revolution auch gewachsen sein mag: seit wann ist sie ‚groß‘? Ist das Manhattan Project der kick-off für „Big Science“? Oder hat es nicht schon lange vor den Großgeräten des 20. Jahrhunderts „Big Science“ geben? Wie steht es, um nur im Bereich der Naturforschung zu bleiben, um die astronomischen Observatorien des 19. Jahrhunderts? Um die naturhistorischen Expeditionen, Sammlungsaktivitäten und Klassifikationsbemühungen im 18. und 19. Jahrhundert? Um die komplexen Netzwerke des gelehrten Briefwechsels im 17. und 18 Jahrhundert? Um Tycho Brahes Sternwarten auf seiner Forschungsinsel im 16. Jahrhundert? Oder, um nun das Augenmerk auch auf die Geisteswissenschaften zu richten: Ist nicht auch der Thesaurus Linguae Latinae eine Art Großgerät, eine Art „Big Science“?
Geisteswissenschaftliche Großforschung
Der Hinweis auf den Thesaurus verdankt sich keineswegs dem Verlangen nach einer kühnen Verknüpfung, denn in einigen neueren Studien zur Geschichte der Geisteswissenschaften ist der historische Ursprung oder doch wenigstens eine wichtige Quelle von „Big Science“ beziehungsweise „Großforschung“ in den Altertumswissenschaften der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lokalisiert worden. Es bestehe, so wird uns sogar in Freud’scher Terminologie von soziologischer Seite versichert, zu „Teleskop-Neid“ kein Anlass: „Big Science“ sei schon seit Langem in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu Hause (Steckel 2007, 12).
Rüdiger vom Bruch sieht Theodor Mommsen und Adolf von Harnack als „Pioniere einer generalstabsmäßig organisierten Grundlagenforschung zum Quellenkorpus der Antike“, als „Vorreiter einer interdisziplinär wie international vernetzten Verbundforschung“, und sieht die „Geisteswissenschaften als Avantgarde von Großforschung in der Akademie des 19. Jahrhunderts“ (vom Bruch 2005, 121, 130). Und Stefan Rebenich unterstreicht, nicht zuletzt angesichts der beeindruckenden Anzahl altertumswissenschaftlicher Akademieprojekte (Rebenich 1999, 224–233), den Avantgarde-Charakter der Antikeforschung im Hinblick auf „Big Science“: Auch für die physikalisch-naturwissenschaftliche Klasse hatten die altertumswissenschaftlichen Akademievorhaben Vorbildcharakter.
Die Akademieprojekte, die zunächst Mommsen und dann auch seine Nachfolger im Sinne einer „Großwissenschaft“ (das Wort stammt von Mommsen) in Angriff nehmen, betreffen historisch-philologische Grundlagenarbeit. Es handelt sich um Grundlagenforschung im Sinne von Korpusbildung und Hilfswissenschaft: Sammlungen (Papyri, Münzen), Inschriftencorpora, Editionen, Kataloge, Thesauri, Wörterbücher, Enzyklopädien, Prosopographien. Aber auch: den Aufbau von Forschungsbibliotheken. Im Wesentlichen handelt es sich um antiquarische Forschung, d. h. um die möglichst vollständige Sichtung, Sammlung und Sicherung der Überlieferung.
Keine andere Institution ist in den letzten Jahrhunderten so schnell gewachsen wie die Wissenschaft.
Vom Bruch charakterisiert die altertumswissenschaftliche „Big Science“ als „eine generalstabsmäßig organisierte Form des Forschungsbetriebs mit hoher Ressourcenbindung“ (vom Bruch 2005, 125). Die „generalstabsmäßig organisierte Form des Forschungsbetriebs“ verweist auf eine von den Protagonisten meist nicht nur als neu empfundene, sondern häufig auch als innovativ begrüßte Strukturierungsform wissenschaftlicher Arbeit. So parallelisiert Mommsen „Großstaat“, „Großindustrie“ und „Großwissenschaft“, und Harnack spricht vom „Großbetrieb der Wissenschaft“ (vgl. vom Bruch 2005, Rebenich 2005). Wie Stefan Rebenich gezeigt hat, drückt sich in diesen Bezeichnungen für Mommsen und Harnack, aber auch für Hermann Diels, durchaus ein positives Verhältnis zur sogenannten „Großwissenschaft“ aus. Alle drei sehen als Mitglieder der Preußischen Akademie der Wissenschaften im Hinblick auf die zu bewältigenden Aufgaben einen ‚Modernisierungbedarf‘ in der historisch-philologischen Grundlagenforschung und bilden in diesem Kontext ein mehr oder weniger affirmatives Verhältnis zu „industriellen“ Organisationsformen von intellektueller Arbeit aus.
Selbst diejenigen, die die geisteswissenschaftliche Großforschung eher aus einer skeptischen Perspektive beobachten, bedienen sich der auffälligen Metaphorik aus dem industriellen Bereich, wenn sie von akademischer „Fabrikarbeit“ sprechen, wenn sie „Betrieb“ und „Beruf“ beziehunsgsweise „Fabrik“ und „Seele“ gegeneinander ausspielen (Weber 1917/1919, 2–3, 5–6), wenn sie die Entgegensetzung von Wissenschaft als ‚Handwerk‘ und Wissenschaft als ‚Industrie‘ verwenden (Plessner 1924, 130–132), oder mit großer Geste von „Forschungssklaven“ und „Sachbearbeitern“ sprechen, die in „Promotionsfabriken“, „Forschungsfabriken“ und „Großforschungszentren“ bloße „Fließbandforschung“ betreiben (Münch 2009, 165–178). Mag man den beklagenswerten intellektuellen „Fabrikarbeiter“ nun dem gelehrten „Handwerker“ (oder den Wissenschaftsunternehmer als „Manager“ dem Gelehrten als zurückgezogenen „Mönch“) entgegensetzen, der analytische Gewinn, der mit diesen Genrebildern erzielt wird, scheint nicht sehr hoch zu veranschlagen. Gleichwohl sensibilisieren die genannten Bezugnahmen auf „Big Science“ und „Großforschung“, sowohl die positiven als auch die negativen, dafür, dass diese Begriffe häufig mit wissenschaftspolitischen Hintergedanken verwendet werden. Ein Grund mehr, sich um eine systematische Klärung zu bemühen.
Allgemeine Merkmale von „Big Science“
Aus systematischer Perspektive weist „Big Science“ oder „Großforschung“ in der Regel die (meisten der) folgenden Charakteristika auf (nach Kinsella 2000, Trischler 2002):
(1) „Big Science“ ist ressourcenaufwändige bzw. ressourcenintensive Wissenschaft; bei den intensiv beanspruchten Ressourcen muss es sich nicht nur um finanzielle Ressourcen handeln, auch die Beanspruchung von zeitlichen Ressourcen, infrastrukturellen Ressourcen (z. B. große Areale), apparativen Ressourcen und personellen Ressourcen kann sehr hoch sein.
(2) „Big Science“ ist technologieintensive bzw. geräteintensive Wissenschaft (anfangs war, wie oben angedeutet wurde, „big science“ um ein großes Gerät zentriert).
(3) „Big Science“ ist projektförmig organisiert; sie dient der Realisierung eines spezifischen Vorhabens, dem Erreichen eines bestimmten Zwecks.
(4) „Big Science“ ist in hohem Maße arbeitsteilig; die Notwendigkeit, in Teams zu arbeiten, führt zu neuen Formen kooperativer Forschung mit ‚vertikalerer‘ Organisation und stärkerer Aufgabensegmentierung.
(5) „Big Science“ ist verwaltungsintensiv; dies vor allem aufgrund des hohen Koordinationsbedarfs, der sich aus dem hohen Ressourcenverbrauch und der arbeitsteiligen Forschungsorganisation ergibt.
(6) „Big Science“ ist staatlich unterstützte, mehr oder weniger direkt öffentlich finanzierte Forschung (in jüngerer Zeit aber auch zunehmend Industrieforschung), die sich deshalb meist an „nationalen Wohlfahrts- und Sicherheitsinteressen“ ausrichtet (Trischler 2002, 244–245).
Generelle Probleme von „Big Science“
Wie der Blick auf Weinbergs oder Price’s Überlegungen zu „Big Science“ zeigte, sind einige generelle Probleme, die mit „Big Science“ einhergehen, schon sehr früh diskutiert worden. Einige der in der jüngeren Forschung diskutierten Hauptprobleme möchte ich hier, bereits auf die Geisteswissenschaften perspektiviert, aufführen (nach Galison 1992, Hevly 1992):
(1) „Big Science“ führt zu Problemen der Informationsverwaltung, die wenigstens teilweise durch eine interne Ausdifferenzierung der Disziplinen und durch eine rigide Aufmerksamkeitsselektion aufgefangen werden können (wobei die Aufmerksamkeitsfokussierung der invisible colleges auch eine starke Aufmerksamkeitsreduzierung für alles mit sich bringt, was nicht dem eigenen invisible college entstammt). Teilweise werden diese Probleme auch durch bessere Informationsinstrumente wie Bibliografien oder Volltextdatenbanken aufgefangen.
(2) „Big Science“ führt, so die Befürchtung, zu einem Autonomieverlust der Wissenschaften. Die Erhöhung der finanziellen Ressourcen für „Big Science“ von staatlicher oder wirtschaftlicher Seite gehe mit der Gefahr einher, dass diese Förderinstitutionen die Priorisierung der Forschungsziele beeinflussten (z. B. mit einer generellen Präferenz für anwendungsorientierte Forschung), beziehungsweise dass die Forschungsagenda ganz von außerwissenschaftlichen Institutionen bestimmt werde.
(3) „Big Science“, so die Vermutung, verändert das Ethos des Wissenschaftlers. Der höhere Koordinations- und Verwaltungsbedarf führe zu einer Ausdifferenzierung der Aktivitätsfelder: Theoretiker, Experimentator, Techniker, Manager und Administrator arbeiteten neben einander her. Die Außenkontakte zu forschungsfördernden Institutionen brächten den Bedarf einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit und einen Anstieg an ‚grauer‘ Literatur mit sich; der Wissenschaftler sehe sich „umlagert von einer Fülle von subsidiären Arbeitsformen, die ihren Niederschlag finden in Gutachten, Anträgen und Arbeitsberichten, die sich nicht mehr primär auf den Gegenstand, sondern vorwiegend auf die Organisation von Forschung beziehen“ (Brenner 1993, 39). Das Ethos des Wissenschaftlers werde durch die Kollektivierung der Arbeitsformen geschwächt: Die Zuweisung von Verantwortung werde, gerade im Hinblick auf wissenschaftliche Publikationen mit Mehrfachautorschaft, ein innerwissenschaftliches Problem (Capshew, Rader 1992, 11). Die Unabhängigkeit des Forschers in der Themenwahl werde eingegrenzt (Schönert 1993, 398); häufig gehe bei „Big Science“ die intellektuelle Initiative eines Forschungsvorhabens gar nicht von den Wissenschaftlern aus, die das wissenschaftliche Vorhaben ausführen. Die „Entindividualisierung und Kollektivierung der Forschung“ (Brenner 1993, 42–45) mache Wissenschaft zum bloßen ‚Job‘.
Die innerwissenschaftliche Reputationsausschüttung erfolgt verstärkt über die wissenschaftsorganisatorischen Leistungen, weshalb auch ausgezeichnete Wissenschaftler zunehmend administrative Tätigkeiten übernehmen, die sie von weiterer Forschung abhalten.
(4) „Big Science“ verändere, gerade auch in den Geisteswissenschaften, die Praxis des wissenschaftlichen Arbeitens. Schon Peter Brenner hat darauf hingewiesen, dass „geisteswissenschaftliche Forschung in immer stärkerem Maße ‚Projekt‘-Forschung“ werde (Brenner 1993, 44). Die Karriere der Projektform als neuer Organisationsform der wissenschaftlichen Forschung ziehe auch Veränderungen in den wissenschaftlichen Arbeitsformen nach sich, die sich dann auch auf die Produkte wissenschaftlicher Arbeit auswirken können (Torka 2008, Stichweh 1994, 164–166).
(5) Schließlich führe „Big Science“ zu einer finanziellen Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystems, da die Erhöhung der Ressourcen für „Big Science“ mit einer Konzentration der Ressourcen an wenigen Orten beziehungsweise Institutionen einhergehen müsse. Dass „Big Science“, auch wenn sie an Universitäten angesiedelt ist, in Konkurrenz zu etablierten universitären Strukturen tritt (Schönert 1993, 398), hängt aber nicht nur mit der mitunter drastischen Differenz des finanziellen Förderumfangs zusammen, sondern auch mit den divergierenden Formen der Arbeitsorganisation.
Probleme der ‚großen‘ Geisteswissenschaften: Das Beispiel der Sonderforschungsbereiche
Die Selbstbeobachtung der Geisteswissenschaften findet in jüngerer Zeit wieder verstärkt aus dem Blickwinkel ihrer Größe statt (Kaube 2006, Herbert und Kaube 2008). Auch hier kann mit „Größe“ unterschiedliches gemeint, abweichendes problematisiert sein (Eckel 2008, 139–147). Die Problematisierung der „Größe“ der Geisteswissenschaften zielt häufig auch auf die geisteswissenschaftliche „Großforschung“ im engeren Sinne. Wie Jörg Schönert betont hat, erfahren die Geisteswissenschaften 1968 mit der Inauguration des DFG-Programms der Sonderforschungsbereiche eine „entscheidende“ Wende von der Individualforschung zur Kollegialforschung (Schönert 1993, 398). Auch Wolfgang Schieder hat jüngst die zentrale Rolle unterschiedlicher DFG-Programme beim Beschreiten eines geisteswissenschaftlichen Weges „von der Einzelforschung zur projektbezogenen Gruppenforschung“ hervorgehoben (Schieder 2009).
Die Probleme, die sich im Hinblick auf die geisteswissenschaftliche „Großforschung“ als einem spezifischen Typ wissenschaftlicher Organisation stellen, wurden schon in den 1980er-Jahren deutlich gesehen (Stackmann, Streiter 1984, 20–21), und lassen sich in diesem Rahmen nur exemplarisch anhand der Sonderforschungsbereiche zusammenfassen: Der Einfluss der Forschungsförderungsinstitutionen auf die Forschung wird größer (z. T. übernehmen diese Institutionen auch in den Geisteswissenschaften eine Initiativfunktion); der administrative Steuerungs- und Koordinationsaufwand steigt deutlich an und mit ihm bestimmte parawissenschaftliche Praxis- und Publikationsformen (z. B. wöchentliche Teamsitzungen, jährliche Forschungsberichte); mit der institutionellen Notwendigkeit kooperativen Arbeitens gehen Freiheitseinbußen bei der Wahl der Forschungsthemen und der Wahl der Arbeitspartner einher; weil die innerwissenschaftliche Reputationsausschüttung verstärkt über die wissenschaftsorganisatorischen Leistungen erfolgt, übernehmen auch ausgezeichnete Wissenschaftler zunehmend wissenschaftsadministrative Tätigkeiten, die sie von weiterer Forschung abhalten; die Sonderforschungsbereiche zwingen die Hochschulen aufgrund der Ressourcenkonzentration zu einer Schwerpunktbildung (Stackmann, Streiter 1984, 2–3), sie treten in lokale Konkurrenz zu den etablierten universitären Strukturen, bereiten aufgrund wechselseitiger Verflechtungen bei ihrer Beendigung aber große Probleme für die Hochschulen (Stackmann, Streiter 1984, 32–33); die aus administrativen Gründen notwendige Verwaltung der Forschung in „Projektstrukturen“ führt dazu, dass die Forschung selbst ‚künstlich‘ projektförmig organisiert wird (Stackmann, Streiter 1984, 24–25); die permanente Ausrichtung an Projektforschung in Großforschungszusammenhängen führt dazu, dass es für Nachwuchswissenschaftler schwieriger wird, eine individuelle Forscherbiografie aufzubauen.
Ein weiteres (mögliches) Problem scheint zu sein, dass sich die kooperative Großforschung nicht mehr nur auf sammelnde und erschließende Forschungen beschränkt (in den Philologien etwa Quellenerschließung, Editionswesen usw.; in den Sozialwissenschaften: Datensammlungen, Harmonisierung von bestehenden Datensätzen usw.), d. h. auf Kooperation im Sinne der Bereitstellung von Dienstleistungen und Betriebsmitteln, sondern auch eine Kooperation von ‚auf Augenhöhe‘ kreativ arbeitenden Forschern umfasst, die sich nicht primär an einem gemeinsamen Gegenstand abarbeiten, sondern eine neue Forschungsrichtung bedienen (Laudel 1999, 35–42). Während die ersten geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereiche spezifische Forschungsgegenstände an bestimmten Orten einer breiten Erforschung zugänglich machen sollten (man denke an Friedrich Ohlys Sonderforschungsbereich 7 zur Mittelalterforschung), sieht Christoph Conrad für die letzten Jahrzehnte einen engen Zusammenhang zwischen den sich mit hoher Geschwindigkeit ablösenden kulturwissenschaftlichen turns beziehungsweise „Wenden“ einerseits und den jeweiligen Sonderforschungsbereichen andererseits, die das „Versprechen“ formulieren, einen turn während ihrer Laufzeit zu vollziehen (Conrad 2006, 152–158). Großforschung wird hier zunehmend zum ‚paradigmenorientierten‘ agenda building.
Natürlich hat jedes Förderprogramm seine Probleme; Probleme, die teilweise Grundprobleme administrativer und strategischer Steuerung sind, wie z. B. der Umgang mit schwer auflösbaren Zielkonflikten oder die Antizipation von Rückkoppelungseffekten aufgrund der spezifischen Reaktionsweise der Akteure. Man braucht nur die Stellungnahmen des Wissenschaftsrats zu den hier traktierten Sachverhalten zu lesen, um zu erkennen, dass die meisten der hier artikulierten Probleme dort ebenso frühzeitig wie deutlich beschrieben wurden, häufig sogar begleitet von konstruktiven Vorschlägen, wie dieser Problembestand mittelfristig abgebaut werden kann. Ausgehend von den diesjährigen Stellungnahmen des Wissenschaftsrats zum Akademieprogramm (Wissenschaftsrat 2009a) und zu den Programmen Sonderforschungsbereiche und Forschungszentren der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Wissenschaftsrat 2009b) lassen sich vier Diskussionsfelder fokussieren:
(1) Gerade die „Größe“ der Sonderforschungsbereiche scheint zu ihrer nachhaltigen Beliebtheit beigetragen zu haben. Der letzte Bericht des Wissenschaftsrats spricht im Hinblick auf die Sonderforschungsbereiche von einem „rasanten Wachstum des Programms“ (Wissenschaftsrat 2009b, 19). Im Moment liegt der jährliche Finanzierungsbedarf der Sonderforschungsbereiche bei etwa 500 Millionen Euro. Der Sonderforschungsbereich ist damit, was das Finanzierungsvolumen angeht, das größte Programm in dem Portfolio der DFG. Die hohe Nachfrage nach Sonderforschungsbereichen hängt aus der Perspektive des Wissenschaftsrats auch damit zusammen, dass es sich von allen Förderformaten der DFG, vermutlich aufgrund des hohen Finanzvolumens eines Sonderforschungsbereichs, um das Programm mit der höchsten Reputationszuweisung handelt. Mit der hohen Bewertung der Sonderforschungsbereiche geht eine deutliche, in vielen Fällen nicht sachlich begründete „Tendenz zu immer größeren Forschungskonsortien“ einher, die vom Wissenschaftsrat durchaus kritisch registriert wird: Die einzelnen Sonderforschungsbereiche werden selbst immer ‚größer‘.
Im Moment liegt der jährliche Finanzierungsbedarf der Sonderforschungsbereiche bei etwa 500 Millionen Euro.
(2) Durch die „Größe“ der Sonderforschungsbereiche sollen langfristig starke „lokale Strukturwirkungen in den beteiligten Hochschulen erzielt werden“ (Wissenschaftsrat 2009b, 40). Die „finanzielle[n] Kumulationseffekte“, die mit den Großprogrammen einhergehen, sollen sich also nicht nur ausdifferenzierend auf die nationale Hochschullandschaft auswirken, sondern sollen auch hochschulintern zu „[d]eutliche[n] Umverteilungseffekte[n]“ führen (Wissenschaftsrat 2009b, 48, 49). Dies setzt aber eine enge Verküpfung von Wissenschaft und Universitätsadministration voraus, die nicht erst die Verwaltungaufgaben betrifft, die sich im Zuge der Bewilligung eines großen Antrages ergeben. Da der Erfolg bei der Antragstellung stark von administrativen und strategischen Vorleistungen aufseiten der Hochschulleitung abhängt, greifen organisatorische Rücksichten bereits in der Planungsphase von Förderanträgen. Die Beantragung von Sonderforschungsbereichen und anderen Formen der Großforschung verlangt schon deshalb langfristige strategische Entscheidungen über die internen Prioritäten einer Hochschule (Schaffung von bestimmten infrastrukturellen Rahmenbedingungen, Bildung von disziplinübergreifenden Schwerpunkten), weil die Großforschungsvorhaben nach dem Laufzeitende in die Universitätsstrukturen integriert werden sollen.
(3) Die „Größe“ der Sonderforschungsbereiche wirft die Frage nach der Notwendigkeit von Begleitforschung auf; und die Frage, inwiefern diese auch im Rahmen des vom Wissenschaftsrat empfohlenen „Monitoring“ der SFBs seitens der DFG einen Platz hätte. Die Auswirkung der „Größe“ der Sonderforschungsbereiche auf die geisteswissenschaftlichen Kommunikationsformen und Forschungspraktiken wäre hier ein interessanter Untersuchungsgegenstand. Die Frage scheint noch nicht angemessen diskutiert zu sein, wie einerseits die geisteswissenschaftliche Arbeit im Sinne von spezifischen Praxisformen und andererseits die geisteswissenschaftlichen Disziplinen als ‚Institutionen‘ auf die Einbettung der Forschung in eine neue, von Großforschung bestimmte „Kooperationskultur“ (Wissenschaftsrat 2009b, 40) reagieren. Dass im Rahmen der „Big Humanities“ eine neue „Kooperationskultur“ entstanden ist, die über unvermeidliche Koordinationstreffen usw. hinausgeht, müsste erst nachgewiesen werden: Die kooperative Forschung in geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereichen hat bisher jedenfalls nicht zu einem veränderten, kooperativeren Publikationsverhalten geführt: In den Geisteswissenschaften überwiegt bei den Monografien und Aufsätzen die Einzelautorschaft weiterhin deutlich.
(4) Auch im Blick auf das, was bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als geisteswissenschaftliche Großforschung begriffen wurde, stellen sich Fragen. Die „materialbasierten Grundlagenforschungsvorhaben“ (Wissenschaftsrat 2009a, 12), die lange als Muster geisteswissenschaftlicher Großforschung galten, finden jedenfalls in dem ausdifferenzierten Förderprogramm der DFG keinen Platz, sondern laufen weiterhin meist in den Akademieprogrammen. Die vom Wissenschaftsrat geforderte und von den Akademien zunehmend durchgesetzte Laufzeitenbegrenzung der Langzeitvorhaben, die mit einer Aufgabe der ehemaligen Totalitätsansprüche und einer Modularisierung der Arbeitsabläufe einhergeht, wirft nicht nur die Frage auf, wo Projekte einen Platz finden, die aus sachinternen Gründen keine Laufzeitenbegrenzung zulassen, wie z. B. bibliografische Werke mit Daueraufgabencharakter; sie wirft vor allem auch die Frage auf, ob sich die materialerschließende und -sichernde geisteswissenschaftliche Grundlagenforschung wie Editionen und Wörterbücher nicht doch stärker mit der themenzentrierten Großforschung, wie sie unter anderem an Sonderforschungsbereichen betrieben wird, verknüpfen lässt.
Administrative Analyse und Umbau der Geisteswissenschaften
James C. Scott verwendet in seiner großen Studie Seeing Like a State. How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed die Erfindung der Forstwissenschaft in Preußen und Sachsen in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts als Modell dafür, wie (wissenschaftliche) Analyse in Administration umschlagen kann (Scott 1998, 11–22). Am Anfang steht dabei der Versuch der aufklärerischen Kameralwissenschaftler, die Wälder zu inventarisieren, um die Berechnung des jährlich erwartbaren Holzvolumens zu erleichtern. Die Standardisierung der Beobachtungsinstrumente und Berechnungstechniken führt aber früher oder später dazu, den Wald selbst zu standardisieren (etwa durch Reduzierung der Anzahl der Baumarten, Anpflanzung der Bäume in geraden Reihen usw.). Durch gezieltes Anpflanzen bestimmter Baumarten nach bestimmten strengen Vorgaben wird ein neuer Wald hergestellt, der leichter zu beobachten, zu protokollieren, zu messen und zu berechnen ist. Die neuen Messtechniken führen also zur Herstellung eines neuen Waldes, der den nun verfügbaren Messtechniken besser entspricht. Der Wald wird, wenn man so will, umgebaut, um seine quantitative „Lesbarkeit“ zu steigern (Scott 1998, 2–3, 183–184). Und zu guter Letzt wird die Güte eines Waldes auch nach seiner quantitativen „Lesbarkeit“ bewertet (d. h. auch danach beurteilt, ob er den formulierten administrativen Beobachtungsstandards entgegenkommt). Der entscheidende Punkt ist hier nicht der mehr oder weniger selbstverständliche, dass jede Analyse eine bestimmte Form der Abstraktion voraussetzt, sondern vielmehr der, dass die ‚Realität‘ selbst der Abstraktion angepasst wird, um sie dann besser analysieren zu können. Aus administrativen Messverfahren werden dann gesellschaftliche Umbauprozesse.
Deutschland ist im internationalen Vergleich im Hinblick auf „Big Humanities“ den meisten anderen nationalen Wissenschaftssystemen um viele Schritte voraus.
Theodore Porter hat diesen analytisch-evaluativen ‚Zirkel‘ prägnant beschrieben: „Die quantitativen Technologien, die der Untersuchung des sozialen und ökonomischen Lebens dienen, sind am erfolgreichsten, wenn die Welt, die sie beschreiben sollen, nach ihrem Bild neugeschöpft wird“ (Porter 1995, 43; meine Übersetzung). Die sich daran anschließende Frage wäre, inwiefern die Geisteswissenschaften es geschafft haben, ihre eigene Forschung so ‚umzubauen‘, dass sie von den Forschungsförderungsinstitutionen als Großforschung beziehungsweise Verbundforschung „lesbar“ und „begutachtbar“ wird (Stackmann, Streiter 1984, 32), inwieweit sich die geisteswissenschaftliche Forschung in den letzten Jahrzehnten so ‚neugeschöpft‘ hat, dass sie administrativ (möglicherweise zu Recht) als ein Wissensbereich wahrgenommen wird, dessen „Innovativität“ und „Interdisziplinarität“ durch Großforschung signifikant gefördert werden kann. Eine Untersuchung, ob der Umbau der deutschen Geisteswissenschaften in den letzten Jahrzehnten auch im Kontext der Steigerung der administrativen „Lesbarkeit“ und „Begutachtbarkeit“ von Geisteswissenschaften als Großforschung verstanden werden muss, wäre hier ein wichtiges wissenschaftshistorisches Desiderat.
Diese abschließenden Bemerkungen scheinen auch deshalb sinnvoll, weil keineswegs von einer Alternativlosigkeit ‚paradigmenorientierter‘ geisteswissenschaftlicher Großforschung ausgegangen werden kann. Die zu Beginn genannten affirmativen amerikanischen Äußerungen zu „Big Humanities“ sind keine Beschreibungen des aktuellen Zustands der amerikanischen Geisteswissenschaften, sondern mehr oder weniger normativ imprägnierte Zukunftsprojektionen. Cathy Davidson und Marjorie Garber imaginieren die „Big Humanities“ als ein neues Projekt, das erst noch eine institutionelle Realisierung finden muss (Davidson 2008, Garber 2008). Beide scheinen gar nichts von den deutschen Sonderforschungsbereichen zu wissen, in denen die von ihnen projektierte ‚paradigmenorientierte‘ geisteswissenschaftliche Großforschung bereits seit Jahrzehnten akademischer Alltag ist. Deutschland ist, dies lässt sich abschließend sagen, im internationalen Vergleich im Hinblick auf „Big Humanities“ den meisten anderen nationalen Wissenschaftssystemen um viele Schritte voraus. Interessanterweise scheint es aber weder eine starke nationale Aufmerksamkeit für diesen Sachverhalt zu geben, d. h. dafür, dass die sonst immer als benchmark verstandenen großen amerikanischen Forschungsuniversitäten keine „Big Humanitites“ etablieren; noch scheint es dafür eine starke internationale Aufmerksamkeit zu geben, d. h. bisher hat man nicht den Eindruck, dass die Sonderforschungsbereiche, Exzellenzcluster usw. von internationalen Beobachtern als zukunftsträchtige Modelle geisteswissenschaftlicher Forschung begriffen werden. Wenn man von größeren Projekten geisteswissenschaftlicher Grundlagenforschung absieht (wie die Sammlung, Sichtung und Veröffentlichung von wichtigen Überlieferungsträgern), die auch in führenden ausländischen Wissenschaftssystemen gelegentlich mit höheren Summen gefördert werden, scheint das Konzept der ‚paradigmenorientierten‘ geisteswissenschaftlichen Großforschung bisher nicht die wissenschaftspolitische Fantasie in anderen maßgeblichen Wissenschaftssystemen nachdrücklich beflügelt zu haben. Eine komparative, transnationale Perspektive auf die „Big Humanities“ würde erlauben, diesen Sachverhalt besser zu verstehen.
Literaturhinweise
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