Whole world is crying“, „World mourns death of the pope“, „A pastor to the world“, „World remembers Pope John Paul II“, „World bids farewell“. Die Titelschlagzeilen einiger ausgewählter US-Regionalzeitungen vom 3. April 2005 zeigen wie ein Ereignis des Vortages, nämlich der Tod eines alten und kranken Mannes in Rom, zu einem Weltereignis stilisiert wurde. Die eigentlich simple Nachricht, dass der 83-jährige Karol Wojtyla am Sonnabend, dem 2. April 2005, um 21:39 Uhr (MESZ) in Rom gestorben war, wird in allen eingangs zitierten Aufmachern in den Bezugsrahmen „Welt“ gesetzt. Ähnlich wie bei anderen großen Ereignissen im ersten Jahrzehnt des zweiten Jahrtausends, etwa 9/11 oder der Tsunami-Katastrophe, wird sich fast jeder und jede auch an den Tod von Papst Johannes Paul II. vor gut fünf Jahren erinnern – oder vielmehr an die mediale Berichterstattung darüber. Egal wo man sich auf der Welt befand, diesen Medienereignissen konnte man sich wahrscheinlich kaum entziehen. In Deutschland wie in anderen Ländern der Erde richteten die Medien ihre Aufmerksamkeit bereits seit dem Krankenhausaufenthalt des Papstes im Februar 2005 auf den Vatikan. Das Fernsehen war bereits Wochen vor dem Papsttod mit ständigen Korrespondenten vor Ort auf Sendung gegangen. Der Boom der Nachrichtensender seit den 1990er-Jahren forcierte die nahezu 24-stündige Live-Berichterstattung aus Rom, selbst dann, als es während der langen Agonie von Johannes Paul II. eigentlich nichts Neues zu berichten gab. Bernd Ulrich beurteilte denn damals in der Wochenzeitung Die Zeit das Ereignis als solches auch als „wenig spektakulär“ und konstatierte nüchtern: „Da brannten keine Türme, da wurde nicht in einen offenen Wagen geschossen, und auf dem Mond fand das Ereignis auch nicht statt. Nein, da starb nur ein schwer kranker Mensch in Rom, so wie alle Tage Menschen sterben.“ Allerdings bekleidete dieser schwer kranke, alte Mann ein weltweit einzigartiges Amt, das mit zahlreichen ehrwürdigen Titeln versehen ist und sich auf eine seit fast 2000 Jahren ununterbrochene Legitimationskette beruft: das Amt des Papstes, des Pontifex Maximus, des Stellvertreters Jesu Christi, des Kirchenoberhauptes von über einer Milliarde Katholiken weltweit. Keine andere Persönlichkeit auf Erden vereinigt so viele Würden und ein solches „Amtscharisma“ (Max Weber) auf sich. Diese Außergewöhnlichkeit ist sicher auch eine Erklärung für das ungeheure Medieninteresse in Rom im April 2005, das dem Ereignis Papstwechsel zusätzliche Bedeutung und Relevanz verlieh. Dabei erklärten es die Medienvertreter selbst zum spektakulären Medienereignis: „Paradox gesagt: Die Medien sind Ursache und Resultat des Medienereignisses“, so hat die Kulturwissenschaftlerin Irmela Schneider diese Wechselwirkung einmal pointiert zusammengefasst.
Von der Globalität des Medienereignisses Papsttod lässt sich im Hinblick auf seine (1) Verbreitung, seine (2) Vermittlung und die (3) Vertretung sprechen.
(1) Im April 2005 akkreditierten sich fast 7.000 schreibende Journalisten aus 106 Ländern aller sechs Kontinente beim Vatikanischen Presseamt. Hinzu kamen fast 5.000 Korrespondenten audiovisueller Medien aus sogar 122 Ländern, die für 487 Fernsehsender, 296 Fotoagenturen und 93 Radiostationen arbeiteten. Die zahlreichen in Rom anwesenden Journalisten und Korrespondenten sorgten für eine weltweite Verbreitung der Nachrichten aus dem Vatikan. Das Ereignis war damit global zugänglich und es war zugleich global adressiert. Zudem wurde es von den Medien als etwas „Globales“ vermittelt.
Das Fernsehen war bereits Wochen vor dem Papsttod mit ständigen Korrespondenten vor Ort auf Sendung gegangen.
(2) Zeitungen setzten den Papsttod in den Bezugsrahmen „Welt“, luden ihn so mit Bedeutung auf, schrieben ihm eine weltweite Relevanz und Einzigartigkeit zu. Medien weckten mit der Inszenierung des Ereignisses ein globales Bewusstsein von Einigkeit und Gleichzeitigkeit. Auf der einen Seite visualisierten sie die Gemeinschaft von in Trauer vereinten Katholiken auf der ganzen Welt in langen Fotostrecken oder hintereinander geschnittenen immer gleichen Bildsequenzen, die betende und trauernde Menschen auf verschiedenen Kontinenten der Erde zeigten. Auf der anderen Seite interpretierten oder addierten sie diese Gemeinschaften der „Gläubigen in aller Welt“ zu einer „Weltgemeinschaft“, wie es etwa in der deutschen Sonntagszeitung Welt am Sonntag am Morgen nach dem Tod Johannes Pauls II. hieß. Diese medialen Bedeutungszuschreibungen erfolgten mit dem Bezugsrahmen Globalität auf der höchstmöglichen Aufmerksamkeitsebene, nicht zuletzt, um den ungeheuren finanziellen und organisatorischen Aufwand zu rechtfertigen, der mit der Entsendung und dem Aufenthalt von Medienvertretern aus aller Welt in Rom verbunden war. Auch die umfangreichen Berichte in den Medien über die anderen am Ort des Geschehens anwesenden Medienvertreter, diese mediale Selbstthematisierung und Selbstbeobachtung vermittelte das Ereignis als Medienereignis und verfolgte einen ähnlichen Vermittlungs- und Legitimationszweck.
(3) Die Vermittlung von Globalität ging jedoch nicht darin auf, Bilder von Trauernden an verschiedenen Orten der Welt zu zeigen, vielmehr trug die auf den Tod Johannes Pauls II. folgende Pilgerinvasion dazu bei, dass das Narrativ von der Globalität weitergeschrieben werden konnte. Denn nun blieb es nicht mehr nur bei der abstrakten globalen Zuschreibung, sondern ganz konkret manifestierte sich Globalität nun in den aus aller Herren Ländern nach Rom gekommenen Gläubigen, Touristen und Schaulustigen. Das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel sprach angesichts der Menschenmassen denn auch auf seiner Titelseite von einer „globalen Wallfahrt nach Rom“. Zu dieser globalen Semantik trugen aber nicht nur die einfachen Pilger, sondern auch die zahlreichen Staatsgäste bei, die am 8. April 2005 an dem feierlichen Papstrequiem auf dem Petersplatz teilnahmen. Von den damals gut 190 Staaten der Erde waren mit 157 Länderdelegationen rund 83% aller Staaten dort zugegen. Hinzu kamen Vertreter von 13 internationalen Organisationen, zum Beispiel der UNO, der Nato und der Arabischen Liga, sowie 60 Delegationen anderer christlicher Konfessionen, religiöser Organisationen und Religionen, darunter Abgesandte aller sogenannten Weltreligionen: Islam, Judentum, Hinduismus und Buddhismus. Wegen der Vielzahl der anwesenden Staats- und Regierungschefs sprachen Presse und Fernsehen vom größten Gipfeltreffen in der Geschichte der Menschheit.
Weltweite Bekanntheit des Papsttums
Der Tod von Johannes Paul II. war jedoch nicht der erste global verbreitete und vermittelte Papsttod mit weltweiter Vertretung. Auch das Ableben anderer Päpste wurde ähnlich global zelebriert. Um ein Ereignis wie den Tod eines Papstes aber glaubwürdig auf der ganzen Welt vermitteln und global einordnen zu können, musste die Papstfigur auch weltweit bekannt sein. Die Wurzeln dieser universalen Prominenz führen zurück ins 19. Jahrhundert. Sie wäre ohne den damaligen Medienwandel nicht vorstellbar. Der Papst, in dessen Pontifikat die neuzeitliche Kommunikations- und Mobilitätsrevolution fiel, war Pius IX. Er regierte von 1846 bis 1878 und hält mit 32 Jahren den Rekord der längsten päpstlichen Amtszeit. In seinem Pontifikat vollzogen sich viele der technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Neuerungen, die Voraussetzungen für den Durchbruch der massenmedialen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts waren. Der Medienwandel ging auch am Papsttum nicht spurlos vorüber.
Rund 5.000 Korrespondenten audiovisueller Medien aus 122 Ländern, die für 487 Fernsehsender, 296 Fotoagenturen und 93 Radiostationen arbeiteten, sowie etwa 7.000 schreibende Journalisten waren akkreditiert.
Selbst wenn Pius IX. sonst eher zu den konservativen Bewahrern auf dem Stuhle Petri gehörte, der 1864 in seinem „Syllabus Errorum“ Presse- und Meinungsfreiheit als Irrtümer der Moderne ablehnte, partizipierte er doch an der Medienentwicklung. Zum einen indem er die Gründung eigener Presseorgane des Vatikans vorantrieb, etwa 1861 mit der Tageszeitung L’Osservatore Romano, die noch heute erscheint. Zum anderen indem er sich bereitwillig als Fotomotiv zur Verfügung stellte. So erfuhr das Porträt des Papstes eine massenhafte Verbreitung, beispielweise als Postkarte. Viele Katholiken konnten damit zum ersten Mal ihr Kirchenoberhaupt in Augenschein nehmen. Vorher war der Träger des Papstamtes kaum bekannt, mit der Möglichkeit der technischen Vervielfältigung seines authentischen Porträts wurde der amtierende Papst nicht nur als Amtsträger, sondern als Individuum wahrgenommen. Mit der Etablierung des Eisenbahnverkehrs in Europa war es zudem möglich, den Papst auch persönlich in Rom zu sehen, denn damals begann der Pontifex mit den noch heute stattfindenden regelmäßigen Audienzen auch für die einfachen Rompilger. Beides, die Medien- und die Verkehrsrevolution, sorgten so für eine enorme Steigerung der Bekanntheit des Papstes: „He was the best-known holder of his office since St. Peter thanks to the growing readership of newspapers across Europe, Asia and the Americas. Pictures of him were everywhere“, heißt es über Pius IX. in einer neueren Darstellung zur Geschichte des Papsttums von Roger Collins.
Erster Globalisierungsschub des Katholizismus
Hinzu kam, dass mit der Intensivierung und den Erfolgen der weltweiten katholischen Missionierung im 19. Jahrhundert die Notwendigkeit einer globalen Integrationsfigur für den in unterschiedlichsten kulturellen Kontexten verbreiteten Katholizismus stieg. Das beförderte die Zentralisierung der katholischen Kirche auf einen ihrer zahlreichen Bischöfe, nämlich den Bischof von Rom. Diese (Macht-)Konzentration auf den Papst ist das Ergebnis einer jahrhundertlangen Entwicklung, die ihren Höhepunkt just im Zeitalter der Medienrevolution findet: nämlich mit der Verabschiedung des Jurisdiktionsprimats, des Universalepiskopats und des Dogmas von der Unfehlbarkeit päpstlicher Lehrentscheidungen auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870. Als Versammlung der Weltkirche verursachte das Konzil einen ersten Globalisierungsschub des Katholizismus. Nicht zuletzt deshalb, weil sich in Rom bereits vor dem Konzil, aber auch während und infolge des Konzils eine ganze Reihe von Mitarbeitern ausländischer Zeitungen angesiedelt hatten. „Rom wurde auch dadurch zur Welthauptstadt des Katholizismus, dass ausländische Zeitungen begannen, dort Korrespondenten zu stationieren. Das Papsttum wurde nachrichtenreif“, formuliert Jürgen Osterhammel in seiner Geschichte des 19. Jahrhunderts treffend. Zusammen mit dem weltweiten katholischen Expansionsprozess, Historiker sprechen vom 19. Jahrhundert als einem „zweiten konfessionellen Zeitalter“, und der Etablierung der Massenmedien vollzog sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Globalisierung, hier verstanden als die weltweite Ausdehnung des Papsttums.
Paradox gesagt: Die Medien sind Ursache und Resultat des Medienereignisses.
Telegraphentechnik, Nachrichtenagenturen und Korrespondentennetze sorgten so auch dafür, dass sich die Nachricht vom Tod Pius’ IX. rasch und umfassend verbreitete. Der Papst starb am 7. Februar um 17:45 Uhr. Das Berliner Tageblatt konnte das Telegramm seines römischen Korrespondenten, das den Tod des Papstes meldete, aufgegeben in Rom um 18:25 Uhr, bereits am Morgen des 8. Februar, also nur gut zwölf Stunden nachdem Pius’ IX. in Rom gestorben war, auf seiner Titelseite bringen. Kurz zum Vergleich: Als Gregor XVI., der Vorgänger Pius’ IX., 1846 starb, erschien in den französischen Zeitungen erst sechs Tage später, in den englischen Zeitungen sogar erst acht Tage später die Nachricht von seinem Tode. 1878 beim Ableben Pius’ IX. thematisierte das Berliner Tageblatt auch diese enorme Beschleunigung und die Grenzenlosigkeit der neuen Telegraphentechnik bei der Übertragung der Nachricht vom Papsttod, „welche der Telegraph mit Windeseile durch alle Lande trägt“. Seit 1878 lässt sich also von einem Medienereignis Papsttod sprechen, das infolge der katholischen Mission und der Massenmedien weltweit, das heißt aber insbesondere in den europäischen Ländern und ihren Kolonien, in Nordamerika, aber auch in Südamerika, wahrgenommen werden konnte. Allerdings vermittelten die Medien damals noch kein umfassendes globales Bewusstsein, vielmehr beschränkten sich die Zuschreibungen der Trauer auf die weltweite Gemeinschaft der Katholiken, aber nicht darüber hinaus. Zudem fehlte es am Kennzeichen der globalen Vertretung.
Live per „Eurovision“ übertragen
Einen neuen Globalisierungsschub erlebte das Medienereignis „Papsttod“ erst mit der Etablierung des Fernsehens als neuem Massenmedium. Émile Durkheim hat in seinem Werk Les formes élémentaires de la vie religieuse (1912) die gemeinschaftsbildende Kraft von Ritualen herausgestellt, insbesondere von denen religiöser Art. Daniel Dayan und Elihu Katz wiederum haben in ihrer grundlegenden Untersuchung Media Events (1992) dargelegt, wie das Fernsehen grenzüberschreitende Gemeinschaften schaffen kann. Bei einem durch das Fernsehen übertragenen Ritual wie dem Papsttod, verstärkt sich also das gemeinschaftsstiftende Potenzial, wie sich erstmals beim Tod Pius’ XII. im Oktober 1958 gezeigt hat, als die „Eurovision“ die Ereignisse in Rom beziehungsweise am päpstlichen Sommersitz Castel Gandolfo, wo der Papst verstarb, zum ersten Mal live übertrug. Das Medienereignis Papsttod manifestierte sich damals auf drei Ebenen, einer lokalen, einer nationalen und einer globalen. Der Schauplatz wurde sukzessive von Ebene zu Ebene erweitert: von der Stadt „Rom“ zur Nation „Italien“ und anschließend zur Welt – gleichsam urbi et orbi, von der urbs auf den orbis, von der Stadt zum Weltkreis. Als der Papst überraschend erkrankte, schrieb Le Figaro zunächst von einer „Douloureuse surprise à Rome“, als er wenig später im Sterben lag von „Manifestations de ferveur religieuse dans toute l’Italie“, und nach seinem Tod von einer „Émotion dans le monde après la mort de Pie XII“. Zugleich aber wird das globale Ereignis wieder an den jeweiligen lokalen Kontext rückgebunden, als das gleiche Blatt am Tag darauf von den in Paris abgehaltenen Trauerzeremonien berichtete. Denn das Globale braucht immer auch den lokalen Adressaten. Die Globalisierung wäre ohne ihre lokale Wirksamkeit und Aneignung, die sogenannte Glokalisierung (Roland Robertson), unvollständig. Während die Gemeinschaftsbildung vor Ort über das religiöse Ritual und nur mittelbar über die Medien läuft, erfolgt die globale Gemeinschaftsbildung rein medial. Denn wenn die Süddeutsche Zeitung titelte „Die Welt in tiefer Trauer um Papst Pius XII.“, dann kann die behauptete Globalität weder durch den schreibenden Journalisten noch durch den lesenden Rezipienten nachgeprüft werden. Die Welt machte es sich noch einfacher, wenn sie schrieb, dass die auf halbmast gesetzte Flagge der Engelsburg symbolisch für die „Trauer in der ganzen Welt“ stehe.
Seit dem ersten live übertragenen Papstrequiem stieg die Zahl der Staatenvertreter von Papsttod zu Papsttod.
Konkreter manifestierte sich eine transnationale Vergemeinschaftung in der Presseberichterstattung über die Reaktion anderer Länder auf den Papsttod, als es zu wechselseitigen medialen Beobachtungen und Interaktionen kam. Unter der Überschrift „L’émotion dans les capitales étrangères“ berichtete Le Figaro über die Resonanz auf den Tod Pius’ XII. in zahlreichen Staaten, darunter nicht nur in den westlichen Ländern wie den USA, der Bundesrepublik und Großbritannien, sondern auch in Argentinien und Brasilien sowie in vielen Ländern Osteuropas wie der DDR, der Sowjetunion, Ungarn, der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Polen, außerdem nicht nur aus katholischen Ländern wie Belgien und Spanien, sondern beispielsweise auch aus Israel; die Londoner Times berichtete zusätzlich von den Reaktionen in den Niederlanden, in Kanada, in Australien und auf Malta; die deutsche Tageszeitung Die Welt auch noch aus Österreich und Ägypten. Meist nahmen die Blätter dabei Bezug auf die Medienreaktionen der jeweiligen Länder, etwa darauf, dass Sonderausgaben von Zeitungen erschienen oder Radio- und Fernsehprogramme unterbrochen worden waren. Außerdem zitierten die Zeitungen die Kommentare ihrer ausländischen Kollegen in Presseschauen, beispielsweise in der Rubrik „Stimmen der Anderen“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die anlässlich des Todes von Pius XII. Auszüge der Leitartikel aus der New York Times und der Londoner Times wiedergab.
Der Papsttod 1958 stellte aber nicht nur in Hinsicht auf die Vermittlung von Globalität, sondern auch im Hinblick auf die globale Vertretung ein Novum dar. Denn am live per „Eurovision“ übertragenen Requiem für Pius XII. nahmen erstmals hochrangige offizielle Delegationen verschiedener Staaten und internationaler Organisationen teil. Die Konzentration von medialer Aufmerksamkeit wurde von den Staatsmännern genutzt, um auf dem heimischen, das heißt den jeweiligen nationalen, Bildschirmen zu erscheinen und gleichzeitig von der Reputation des Papstes und von der Würde der Zeremonie zu profitieren. Die Medienvertreter wiederum interpretierten die Teilnahme der Repräsentanten zahlreicher Staaten als Zeichen globaler Trauer, wie etwa der französische Le Figaro, der von einer „deuil mondial“ sprach. Das Medienereignis „Papsttod“ stiftete in dieser Perspektive letztendlich die Wahrnehmung als Weltgemeinschaft. Die Koinzidenz von erster Fernsehübertragung eines Papstrequiems und der Verdichtung des globalen Narratives in der Presse beim Tod Pius’ XII. 1958 unterstützt die medienhistorische These, wonach eine Voraussetzung für die mediale Konstruktion des Globalen das Fernsehen sei, wenngleich es sich am Ende der 1950er-Jahre noch nicht als Massenmedium durchgesetzt hatte. Seit dem ersten live übertragenen Papstrequiem stieg die Zahl der Staatenvertreter von Papsttod zu Papsttod bis zu ihrem vorläufigen Höhepunkt 2005. Auch nach dem Tod von Johannes Paul II., tauchte das globale Narrativ deshalb wieder in der Presse auf, als etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung von einer „Welttrauergemeinde“ schrieb.
Die Nachricht vom Tod Gregors XVI. brauchte noch acht Tage, bis sie es in die englischen Zeitungen schaffte, vom Ableben seines Nachfolgers Pius IX. erfuhren die Redaktionen innerhalb einer Stunde.
Selbstverständlich sind beim globalen Medienereignis Papsttod aber nicht nur die Medien- und Staatenvertreter handelnde und gestaltende Akteure, sondern der Vatikan selbst auch. Er bietet mit dem Ereignis und den darauf folgenden Ritualen und Zeremonien den eigentlichen Plot, und er stellt die Bühne dafür, das heißt seit dem Requiem für Paul VI. im August 1978 den sehr fernsehtauglichen Petersplatz. Anlässlich der Begräbnismesse für Johannes Paul II. sprach der damalige päpstliche Zeremonienmeister Piero Marini davon, dass „das Fernsehen dem Petersplatz eine universale Dimension“ verliehen und „der Säulengang des Bernini […] wahrlich seine Arme ausgebreitet und die ganze Welt umspannt“ habe. Es blieb nicht bei der transzendenten Symbolhaftigkeit dieses Bildes, sondern es fand auch eine physische globale Verbreitung und Vermittlung über die Foto- und Fernsehkameras. Zugleich wurde hier der globale Anspruch und das universelle Selbstverständnis des Katholizismus als Weltreligion visualisiert und unterstützt. Die weltweite katholische Gemeinschaft wurde durch die mediale Visualisierung zunächst sichtbar gemacht und wuchs danach, auch dank medialer Verstärkung, sogar noch über sich hinaus. Aber der Vatikan konnte die Bilderhoheit nicht bis in den letzten Winkel der Erde ausüben und so erfolgte im arabischen Raum eine ganz andere visuelle Aneignung des gleichen Ereignisses, die sehr viel mehr politisch geprägt war. Hier wurde das zufällige Zusammentreffen des israelischen Staatspräsidenten Moshe Katzav mit seinen syrischen und iranischen Amtskollegen anlässlich des Papstrequiems zum dominierenden Nachrichtenthema, gegenüber dem die Totenmesse selbst und ihr eigentlicher Anlass in den Hintergrund traten.
Nichtsdestotrotz schufen die Medien im Moment des Papsttodes eine Weltöffentlichkeit für den Katholizismus, in der dieser den katholischen Glauben an die Auferstehung auch über nationale, kontinentale und religiöse Grenzen hinweg vermitteln konnte. Ob er damit allerdings in der schnelllebigen Medienwelt eine über den Tag hinaus reichende Nachhaltigkeit erzielen konnte, ist zu bezweifeln, denn allein die medialen Aneignungen desselben Ereignisses können, wie gezeigt, sehr unterschiedlich ausfallen. Der päpstliche Zeremonienmeister Piero Marini zog allerdings eine durchweg positive Bilanz des globalen Medienereignisses nach dem Tod von Johannes Paul II. und sah eine weltweit vermittelte theologische Botschaft verkündet, als er festhielt: „Die von den verschiedenen Fernsehanstalten in alle Welt übertragenen Bilder haben das Antlitz einer Kirche gezeigt, die trotz des Leides über den Tod ihres Hirten den Glauben an Christi Sieg über den Tod besaß; […] Protagonist war nicht das Fernsehen, sondern die im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils gefeierte Liturgie der Kirche.“