Eine Bresche schlagen, einen Weg in die Flanke bahnen, die Avantgarde bilden, den Gegner mit den eigenen Mitteln überwältigen – alles das sind strategische, militärische Begriffe, die man gelegentlich, mangels anderer, zur Beschreibung eines argumentativen Vorgehens heranzieht. Man könnte in der Schärfe, Genauigkeit und Beweglichkeit eines Geistes, der sich im Dickicht der Diskurse behauptet, eine Art spirituell aufgefasste Kampfsportart sehen, sofern Denken auch immer Interaktion, nicht nur Epiphänomen des Intertextes ist. Insofern scheint das Bild eines intellektuellen Agon geeignet, die Qualität des Vortragens, Denkens und Schreibens von Gerburg Treusch-Dieter zu erfassen, auch wenn in ihrer Eigenwilligkeit und Einzigartigkeit bisweilen auch andere Momente hervorstachen, wie etwa der einer sehr bewussten Autorität einer Hohepriesterin oder der eines zärtlichen, blumenhaften Mädchens. Die Idee einer „Denkerin auf der Bühne“ hatte sie besonders stimmig zu verkörpern gewusst, zumal sie ihre Erfahrung als Schauspielerin und ihre raffinierte Sprechtechnik in der Position einer Universitätslehrerin und öffentlich wirkenden Intellektuellen als klaren Vorteil, wo immer sie auftrat, für sich verbuchen konnte. Sie wirkte als eine Art Lara Croft der Philosophie und Soziologie, mit enormer Anziehungskraft für ihre Studierenden, weshalb einem die starken Worte gerade noch akzeptabel vorkommen, wenn man ihre Leistungen zu beschreiben sucht.
In Treusch-Dieters Lektüre geriet die Philosophie als Schule des Denkens in der Weise außer sich, dass ihre eigenen Prinzipien unter Verdacht gestellt wurden.
Ihre hochgeschraubte Rhetorik, bestens geschult an Strukturalismus und Poststrukturalismus sowie an Dialektik und Kritik der Frankfurter Schule, bohrte sich wie ein laser beam durch verkrustete Strukturen. Ihre feine Nase, die Nietzsche an ihr gerühmt hätte, roch sofort den Braten und ließ sie ungemütlich zuschlagen, wenn die Debatte den meisten noch ganz rund zu laufen schien. Gerburg Treusch-Dieter emittierte nicht einfach eine feministische gute Botschaft. Sie gehört zur Phase I einer Analyse der Geschlechterkonstellation, die sie gemeinsam mit den Kolleginnen Hélène Cixous, Luce Irigaray, Eva Meyer und Christina von Braun wesentlich mitbestimmt hat. Während Cixous und Irigaray vornehmlich an den abstrakten Bedingungen von Geschlecht und an dessen jeweiliger Möglichkeit, zu einem autonomen Ausdruck zu finden, arbeiteten, nahm Gerburg Treusch-Dieters Denken Kurs auf die ausgedehnten Horizonte einer zwischen Biologie, Politik, Technologie und Reproduktion sich zuspitzenden Nicht-Verwirklichung des Weiblichen, für dessen Erfassung Aufdeckung und Angriff die beste aller Möglichkeiten war. Zum Zwecke der Verbesserung einer Wirkung eines solchen hatte sich Gerburg Treusch-Dieter in unterschiedlichste, auch äußerst entlegene und unkonventionelle Forschungs- und Wissensgebiete in kompromissloser Weise eingearbeitet, wie überhaupt die vollständige Abwesenheit von Berührungsangst ein wesentliches Merkmal ihrer intellektuellen Interessen ist. Das Argument, dass die historische Analyse der Weg sein könnte, die Genese der Verhältnisse zu erfassen, hat sie zu einem guten Teil aus den französischen Autoren bezogen, vor allem aus Foucault, der ihre Generation so sehr beeinflusst hat. Foucault stand für den Vorrang des soziologisch-politischen Modells, welches die Philosophie zu einer erweiterten Form der Reflexion und der inneren Rekonstellation unter diesen Vorzeichen zwang. Aus diesem Grunde wohl hatte Gerburg Treusch-Dieter die Soziologie als Disziplin gewählt, die sich als leitende Formation empfahl, auch wenn sie in diesen Fokus eine Reihe von nicht einschlägigen Feldern in großräumigen Erweiterungsbewegungen einbezog. Ihre Marx-Lektüre bildete einen weiteren wichtigen Bezugspunkt, von dem aus sie ihre Geschichtskonzeption konsolidierte, ferner spielten seine Texte zu Wert, Produktion und Arbeit eine maßgebliche Rolle in ihrem Denken, denen sie schließlich das „Recht auf Faulheit“ entgegensetzte, wie überhaupt es diese Stoßrichtung gab, das Sein aus der Vorherrschaft von Herstellen und Machen zu befreien.
Kritik antiker Texte
Ihre Idee bestand nun darin, möglichst tief anzusetzen, um dem Übel auf die Spur zu kommen. Es wird wohl kaum eine zweite unter den feministischen Denkerinnen ihrer Zeit geben, die die Schärfe ihrer Argumentation wie sie umfänglich aus der Kritik antiker Texte bezieht. Nachdem die Urszene des westlichen Denkens mit der Entstehung der Denker-Sezession auf dem kerameion Athens zusammenfällt, und zwar da schon – wie Gerburg Treusch-Dieter nicht müde wurde, zu wiederholen – als Entwurf, der das Weibliche deklassiert und löscht, war ihre Bezugnahme auf gewisse Philosophen von einer grundsätzlichen Ambivalenz bestimmt: indem sie sie zugleich als Herausforderer innerhalb der Disziplin und als ideologische Gegner nahm. Vor allem die Thesen des Aristoteles zum Thema Zeugung und die von ihm vorgelegte misogyne Elemente- und Säftelehre nahm sie sich als elementaren Beitrag zur Begründung einer Abwertung des Weiblichen vor. In ihrer Lektüre geriet, um es einmal so zu sagen, die Philosophie als Schule des Denkens in der Weise außer sich, dass ihre eigenen Prinzipien unter Verdacht gestellt wurden. In unüberbietbarer Art und Weise rückte also Gerburg Treusch-Dieter den Meisterdenkern auf den Leib wie eine Spitzenjuristin. Im selben Maße, wie er sich eine Beurteilung seines Standpunkts gegenüber dem Weiblichen gefallen lassen musste, bot auch Sigmund Freud für Gerburg Treusch-Dieter ein ambivalent nutzbares Argument, indem sie nach seinem Vorbild die verborgenen, verdrängten und verschlüsselten Motive in Thesen und Bewertungen nach oben kehrte. Freud ist möglicherweise noch stärker als Aristoteles Paradebeispiel einer Autorität, die sich in ihren Augen in Bezug auf das Weibliche schuldig gemacht hat. Seine Formulierung der konstitutiven weiblichen Kastriertheit lässt sich in dieser Hinsicht schwerlich überbieten.
Das Mädchenopfer
Gerburg Treusch-Dieter setzte, in gewisser Weise darin noch konform mit dem Ansatz des frühen Feminismus, die griechische Philosophie ihrer Überprüfung auf dem Hintergrund einer älteren Geschichte aus, die in Spuren von einer ursprünglich unbeschädigten Weiblichkeit berichtete. Die Mythologie, um die es geht, also etwa der Demeter-Mythos im Demeter-Lied, wies allerdings selbst bereits Verwerfungen auf bzw. installierte sich, wie sie meinte, genau am Ort solcher Verwerfungen. Insofern sollte sich die Rekonstruierbarkeit einer Art primärer Weiblichkeit, die noch nicht in die aus männlicher Perspektive erzählte und gemachte Geschichte verwickelt ist, zusehends als schwierig, wenn nicht als illusionär herausstellen.
Treusch-Dieter machte beispielsweise aus „Leben“ und „Leber“ eine Organanalyse erster Klasse.
Erstens machte Gerburg Treusch-Dieter im genannten Mythos, den sie ausführlich analysiert und kommentiert hat, einen Bruch zwischen den Figuren von Mutter und Tochter in der Weise aus, dass das Weibliche sich nicht mehr als homogenes stimmiges Argument haben ließ. Aus der Beschäftigung mit Demeter und Persephone und dem Motiv Eleusis gewann Gerburg Treusch-Dieter ihre zentrale These vom Mädchenopfer und des ewigen negativen Fortlebens oder -wirkens derselben, die sie in zahllosen Varianten bearbeitet hat. Ihrer besagten Furchtlosigkeit ist es zu verdanken, dass die Transformation des Opfers zur Tötung beziehungsweise zum Mord überhaupt auf die Agenda gesetzt worden ist, da bis heute die rituelle Tötung als kulturgeschichtliches Thema im Unterschied zum rechtlich relevanten Mord mit einem entschiedenen theoretischen Tabu belegt ist. Gerburg Treusch-Dieter machte im Mädchenopfer ein Äquivalent beziehungsweise Komplement zum Königsopfer und zur Opferung des Sohnes aus, und forderte seine Richtigstellung sowohl in der symbolischen oder religiösen wie auch in der politischen Vorstellungswelt. Ergebnis ihrer Arbeit am Demeter-Mythos ist zweifelsohne ihr ebenso anspruchsvolles wie herausforderndes, entschieden nicht im gebührenden Umfang von der soziologischen oder feministischen Debatte zur Kenntnis genommenes Buch Die heilige Hochzeit, das, im Unterschied zu den positiven Kodierungen einer matrizentrischen Logik etwa durch Heide Göttner-Abendroth, vor allem Problematisierung des Weiblichen ist. Zum Zweiten aber bescherte ihr die Konzentration auf den epistemologischen Bruch zwischen Mythologie und Philosophie die denkwürdige Herkulesarbeit, eine Übersetzungsleistung zwischen Erzählung, Begriff und Politik zuwege zu bringen, die eben nicht als retrograde Intelligenz daherkommen sollte. Exemplarisch für diese Logik des Transfers ist Gerburg Treusch-Dieters Kritik der Hochzeit, die nach ihrer Auffassung eine ebenso göttliche wie natürliche symbolische Institution darstellt, deren Verbürgerlichung ebenso absurd erscheint wie der Vollzug des Opfers unter veränderten Vorzeichen. Es wäre nicht verfehlt, wollte man eines ihrer Spezialgebiete mit „Kritischer Brautwissenschaft“ betiteln.
Technik und Medien
Ihr permanentes Training in dieser schwierigen Disziplin der Übersetzung von mythologischem in analytisches Material sollte sie schließlich zu einer Denkerin machen, die aus ihrer Spezialisierung auf Stammbegriffe und logische und poetische Verflechtungen und Verschiebungen wirkliche Erhellungen zu schaffen wusste. Sie machte beispielsweise aus „Leben“ und „Leber“ eine Organanalyse erster Klasse, beargwöhnte den Begriff des „Virtuellen“ auf Grund seiner Nähe zu lateinisch „vir“ und „virtus“ und legte eine Geschichte der Radioaktivität vor, die ihren Zunder aus der Überlagerung mit den Strahlungsfantasien platonischer Provenienz ebenso wie christlicher Theologie bezog. Gerburg Treusch-Dieters großes Interesse an Technik und Medien ist wohl durch die sich in den achtziger Jahren nach vorne spielende Medientheorie begründet, sofern diese einen integralen Bestandteil der Kulturwissenschaften auszumachen begann, steht aber auch in direkter Beziehung zu ihren antiken feministischen Forschungen. Die als Untersuchungen in Philosophischer und Historischer Anthropologie ausgerichteten spekulativen Linien, die in verwandter Weise auch von Dietmar Kamper verfolgt worden sind, kreisen um das Verhältnis von Technologie, Medien und menschlicher Verfassung, welche letztere als Naturbestand bereits als in höchstem Maße gefährdet, verletzt und bedroht erkannt worden ist. Aus diesem Grund wird man, was die Intonation der kritischen Rede angeht, ähnlich wie bei Dietmar Kamper und anderen DenkerInnen derselben Generation am Rande der Resignation formulierte subtil anklagende, verurteilende, aber auch ironisch überhöhte und theatralisch wilde Arien registrieren, die das, was man aus Foucaults Texten zu Gefängnis und Klinik kennt, in den Schatten stellen. Die Schwierigkeit, mit der sich Foucault konfrontiert sah, bleibt auch in Gerburg Treusch-Dieters und Dietmar Kampers Schriften präsent, nämlich der Umstand, dass Klage und Urteil niemanden findet, dem sie zugestellt werden könnten. Foucault löst dieses Problem im Begriff der „Diskursformation“ auf, was allerdings für ein radikal feministisch ausgerichtetes Denken nicht die beste aller Möglichkeiten war. Gerburg Treusch-Dieter fahndete immer weiter auf der Suche nach jenen Sinnverwerfungen, Fehlinterpretationen und Gewalt- und Machtworten, also nach denjenigen Verantwortlichen, die niemals zur Rechenschaft gezogen worden waren. Es liegt in der Logik der Sache, dass sie mehr oder weniger explizit der „Diskursformation“ dezidiert männliche Strippenzieher unterstellte, dass also ihre Analyse als Antithese zum männlichen kodierten Narrativ zu verstehen war. Gleichwohl interessierte sie sich für Überschreitungen dieser Antithese, die sich wie in ein Patt der Geschlechterkonstellation zu verfestigen drohte, wollte sie nicht nur aufgehen im Thema Weiblichkeit und beschäftigte sich mit Neuerfindungen, Inszenierungen und Überschreitungen im Sinne der Queer-, Trans und Homosexuellen-Bewegung.
Entwendung des Zeugungsprivilegs
Neben ihren großen Themen Opfer und Braut spielt in Gerburg Treusch-Dieters Denken und Schreiben das der Zeugung eine wesentliche Rolle, in welchem sie jenes Prinzip erblickte, von dem aus alle Formen der Produktion zu revidieren wären. Die Zeugung schien ihr einer permanenten symbolischen und politischen Verwerfung ausgesetzt gewesen zu sein und neuerdings, etwa seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, davon bedroht, durch die kapitalistische und technische Idee der Produktion nicht nur suspendiert, sondern vollständig ersetzt zu werden. Gerburg Treusch-Dieter war früh eine der vehementesten Kritikerinnen der Gen- und Reproduktionstechnologien, die sie als logische Folge der Entwendung des Zeugungsprivilegs sieht, welches nach dem Rechtsspruch der Athene in der Orestie allein dem Vater zugeordnet wird. Sie diagnostizierte in diesem Text mit untrüglichem Gespür die Wirksamkeit der athenischen Propaganda, auch wenn er mit Versen edelster Dichtkunst prunkte. Die Mutter wird der elementaren Szene der Orestie zufolge bloß als Behältnis betrachtet, in welches des zeugendes Vaters Frucht zur treuen Pflege und Bewahrung gegeben ist, weshalb – so Gerburg Treusch-Dieters Schluss – doch nichts daran hindert, dieses Behältnis als Retorte auszubilden. Wiederum nach dem Modell des Transfers von Mythologemen, aber auch von Märchen und Sprüchen, in Theorien setzte sie den zeitgenössischen biotechnologischen Fantasien von Zeugung und Geburt außerhalb des Mutterleibs eine Ebene voraus, in welcher der technischen Intention zwingend eine imaginäre vorauszusetzen ist. Die Geschlechterdifferenz sah sie nach dem Modell äquivalenter Differenzen organisiert, in erster Linie als genaue Entsprechung zur Differenz von Geist und Materie, was das Gentechnologie-Thema in ihren Augen zu einem erstrangig philosophischen und folglich politischen machte. Es wäre demnach die Überwindung der Materie durch den Geist, also ein definitiv gnostischer plot, welcher in den Reproduktionstechnologien und schließlich im Ziel, die Geburt durch die Mutter abzuschaffen, am Werke sei. In letzter Konsequenz also müsste die Philosophie, so wie sie auf den Weg gebracht worden war, als affirmatives Projekt männlicher Superiorität aufgefasst werden.
In letzter Konsequenz also müsste die Philosophie, so wie sie auf den Weg gebracht worden war, als affirmatives Projekt männlicher Superiorität aufgefasst werden.
Gerburg Treusch-Dieters Technik der auf eine lange Geschichte mit kompliziert verwobenen Strängen angelegten Analyse mutete ihr selbst die gewaltige Herausforderung zu, Wiederholungen und Verstärkungen in der Weise zu markieren, dass beispielsweise etwa nicht nur eine einfache, sondern eine mehrfache Abschaffung der Mutter mit geeigneten Mitteln zu konstatieren und nachzuweisen war. Sie band diese Geschichte buchstäblich an den Lebensfaden, den sie ausgehend von den spinnenden Parzen und der Ariadne als weibliche Technologie ersten Ranges erkennt, wie sie ihn ebenso in der Spinnmaschine der Textilindustrie am Werk sieht und schließlich in seiner wissenschaftlich-symbolischen Form als Doppelhelix der DNA lokalisiert. Die Konzeptualisierung einer Geschichte des Spinnens / Webens in ihrer als Buch herausgegebenen Doktorarbeit mit dem Titel Wie den Frauen der Faden aus der Hand genommen wurde illustriert ihr analytisches Verfahren ebenso plastisch wie ihre Geschichtsauffassung, die keinerlei Optimismus im Stile einer Evolution als Fortschritt kennt. Die symbolische Grundierung bleibt in allen technischen Phasen des Spinnens und Webens für sie aufrecht, auch wenn die Karriere des Lebensfadens für sie eindeutig die einer negativen Wendung auf der Grundlage der gelöschten Gebärerin ist. Die Biotechnologien, zu deren Fortschritten sie gerade in Bezug auf die Reproduktionstechnologie ein eindrucksvolles Dossier in ihrem privaten Archiv angelegt hatte, werden zu einem ihrer zentralen Forschungsfelder. Von diesem Punkt aus stieß sie, durchaus identifiziert mit dem für sie positiven Ideal der Spinnerin, Debatten zum Status der Produktion überhaupt an, also zum Wesen der kapitalistischen Arbeit, die sich ihrer Meinung nach von der Entwertung der erstrangigen Produktionsform, nämlich der Geburt oder der Reproduktion, die der Produktion der Ware gleichgesetzt oder sogar nachgeordnet wird, grundsätzlich nicht „erholen“ kann. Ihre Stimme fehlt in der aktuellen Situation, die sich in Richtung ihrer schlimmsten Befürchtungen entwickelt hat. Aus der Logik der Löschung des Weiblichen in der doppelten Gestalt des Opferwertes des Mädchens und der bezeugten Geburt schließt sich im Zusammenhang ihres Denkens eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Schuld an, das sie mehrfach in Konferenzen und Beiträgen behandelt hat. Sie präparierte die verblüffende Gleichung zwischen Löschung und Schuld oder Be-Schuldigung heraus, also den ungeheuren Umstand, dass ein nicht-gerechtfertigtes Weibliches riskiert, wie in einer automatischen Wendung des Sachverhaltes, d. h. in einer Perversion, zum immer Schuldigen zu werden, das ausgeschlossen bleibt aus der Herstellung von Wert. Die an allem schuldige Mutter, die sie bereits in der Figur der Demeter vorgebildet sah, welche in den Raub der Persephone einwilligt, wurde von ihr in gleichem Maße bloßgestellt wie auch verteidigt, was in einer Reihe von Texten jenes grundsätzliche Problem zutage fördert, mit dem sie sich herumzuschlagen hatte: dass nämlich alle Textlinien, die sie verfolgte, historisch zu männlichen Positionen führten. Sie hatte also das Paradoxon zu vollziehen, selbst als Opfer aufzutreten als es zugleich auch theoretisch zu rächen, um es einmal so zu sagen. Es ist nicht klar, ob der Schrecken, dass die Frauen sich unter Umständen den sich ständig an der Differenz selbst als Problem neu aufladenden semantischen und politischen Strukturen nur schwerlich entziehen können würden, jemals von ihr gelassen hat.
Gerburg Treusch-Dieters Denken markiert eine wesentliche und unverzichtbare Position innerhalb der feministisch ausgerichteten Kultur- und Sozialwissenschaft, den Moment eines sich selbst auffällig Werdens jenes Weiblichen, das auf die Suche nach den Gründen seiner historischen Abwesenheit geht. Ihre reich besetzten und instrumentierten Themenfelder, ihre poetischen und geradezu verrückten Begriffsanalysen, die Zumutungen an ihre LeserInnen und HörerInnen betreffend die drastischen Schlüsse, die sie zu ziehen wusste, all das bildet einen Schatz von der Art einer wild möblierten Höhle der Kalypso, umpflanzt von Petersilie, die das Denken aphrodisiert, angefüllt mit Gegenständen, in die sich das Denken der Gegenwart endlich vertiefen und über sich aufklären sollte.